„Spielerischer Test für alle“

EXPERIMENT Am Hamburger Thalia Theater zahlt heute Abend jeder, was er will

■ ist Germanist und Historiker und seit Herbst 2009 Intendant des Hamburger Thalia Theaters. Zuvor war er Chefdramaturg am Wiener Burgtheater Foto: dpa

taz: Herr Lux, wollen Sie mit dem heutigen Abend, bei dem das Publikum die Eintrittspreise bestimmt, Verständnis für teures Theater heischen?

Joachim Lux: Nein. Wir wollen vor allem eine Diskussion über die Frage: Was ist uns das Theater wert? Was kann und will der Einzelne zahlen, was will die Politik tun? Es ist ja kein Zufall, dass das Subventionssystem derzeit auf allen Ebenen in Frage gestellt wird. Das gilt für die Kultur genauso wie für die Krankenkassen, wo man „herzlich eingeladen ist“, Leistungen, die früher normal waren, selbst zu zahlen. Dabei ist klar: Wer den Abbau von Subventionen fordert, propagiert die Umlage dessen, was mal als Solidaraufgabe gemeint war, auf den Einzelnen. Irgendwann stellt sich die Frage, wie viel der Einzelne noch schultern kann. Denn mir liegt schon daran, dass auch Leute mit schmalem Geldbeutel ins Theater können. Ich will ja keine sich aufs Kulturelle transferierende Klassengesellschaft.

Glauben Sie, dass Sie heute Abend realistische Eintrittspreise erzielen?

Das werden wir am Ende der Vorstellung wissen und diskutieren. Der Vorverkauf lässt aber ahnen, dass sich etliche an den regulären Preisen orientieren. Und dann gibt es ja verschiedene Zahlenspiele: Einerseits: Was zahlt der Einzelne? Andererseits: Reicht die Gesamtsumme, um Bühnenarbeiter, um Schauspieler zu bezahlen? Oder gar, um Subventionen zu streichen? Ein Grund für die Aktion ist ja, dass wir von der nächsten Spielzeit an jährlich 300.000 Euro weniger Subventionen bekommen. Die müssen wir einsparen oder über Preiserhöhungen einspielen. Da stellt sich schon die Frage nach der Schmerzgrenze.

Könnten Sie sich mittelfristig eine „finanzielle Basisdemokratie“ fürs Theater vorstellen?

Das ist nicht unser Ziel. Der heutige Abend ist als spielerischer Test gedacht, um etwas bewusst zu machen. Wir wollen Transparenz.

Akzeptieren Sie durch Ihre Aktion aber nicht die Defensive, in die Subventionskritiker die Kultur so gern drängen?

Nein. Es hat uns ja niemand gezwungen, das zu machen, und wir stehen auch nicht mit dem Rücken an der Wand. Mit Bedacht haben wir die Aktion zudem in den Kontext unserer „Lessing-Tage“ gestellt. Denn eine zentrale Frage Lessings war die nach den Bedingungen kultureller Bildung und nach der Schulung ästhetischer Wahrnehmung. Auf heute bezogen: Braucht man dafür Theater, oder tut es auch eine Excel-Schulung? Was ich vorziehe, können Sie sich jetzt wahrscheinlich denken. INTERVIEW: PS

Heute, 20 Uhr, Thalia Theater: „Nathan der Weise.“ Anschließend „Publikumsgipfel“ mit Joachim Lux