DIE KLAUSUR DER LINKSPARTEI ZEIGT: DIE RICHTUNG STIMMT
: Wunsch und Wirklichkeit

Oskar Lafontaine wird nicht müde zu erklären, dass die Linkspartei die einzig antineoliberale Partei im Bundestag ist. Das klingt sympathisch, aber die Frage, was die Linkspartei werden will, beantwortet dies keineswegs. Denn sie laboriert an dem Widerspruch aller reformistischen Parteien – zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen krachender Oppositionsrhetorik von Gysi und Lafontaine und dem Regierungsalltag.

In Berlin etwa regiert die PDS auffällig unauffällig – gegen manche Maßnahme, die sie hier angesichts leerer Kassen exekutiert, würde sie anderswo Sturm laufen. Solche Glaubwürdigkeitslücken sind gefährlich, gerade für eine Partei, die eher von moralischen Ansprüchen lebt als davon, die Interessen ihrer Klientel effektiv umzusetzen. Lösbar ist der Konflikt zwischen Oppositionsrhetorik und Regierungspraxis in Zeiten der Staatsverschuldung nicht. Aber entscheidend ist, dass die Partei diese Widersprüche offen verhandelt.

Lafontaine hat gestern die rote Linie für die Partei markiert: Keine Umverteilung von unten nach oben, keine Privatisierung von öffentlicher Daseinsvorsorge, kein Bruch des Völkerrechts. Der Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft in Berlin lag demnach jenseits von Lafontaines Linie. Trotzdem klingt das besser, differenzierter als das bisherige Mantra: Weg mit der Agenda 2010, Weg mit Hartz IV, Bundeswehr zurück aus dem Ausland.

Manches, was die Linkspartei will, mag kaum realistisch sein. Ein Mindestlohn von acht Euro wird, auch mit Übergangsfristen, die Arbeitslosigkeit im Osten noch verschärfen. Doch wichtig ist anderes: Die Linkspartei befasst sich mit dem Widerspruch zwischen Wünsch- und Machbarem. Der Ton ist sachlicher geworden, weniger fundimäßig. DGB-Chef Sommer, der noch vor kurzem Gysi und Lafontaine für Hallodris hielt, hat sich mit den Linkspartei-Chefs getroffen. Die starren Fronten verflüssigen sich. Rot-Rot-Grün, so Lafontaines neue Sprachregelung, wird die Linkspartei nicht forcieren, aber auch nicht verhindern. Das alles sind sehr kleine Schritte. Aber in eine Richtung, die irgendwann interessant werden kann. STEFAN REINECKE