US-Senat nimmt Alito in die Zange

Der Konservative Samuel A. Alito, von US-Präsident Bush als Kandidat für das Oberste Gericht nominiert, muss dem Senat Rede und Antwort stehen. Seine Ernennung dürfte durchgehen. Demokraten und Bürgerrechtler befürchten einen Rechtsruck

AUS WASHINGTONADRIENNE WOLTERSDORF

Jede Geste und jedes noch so kleine Detail aus seiner Vergangenheit sind in dieser Woche Gegenstand einer öffentlichen Anhörung. Alle namhaften US-Medien sind dabei und beobachten den Gesichtsausdruck der Frager – und des Befragten. Die Rede ist von Richter Samuel A. Alito, den Präsident George W. Bush zum Kandidaten für den frei werdenden Posten im Obersten Gerichtshof ernannt hat.

Seit Montag steht Alito, 55, dem Justizausschuss des Senats Rede und Antwort. Dabei geht es immer wieder um die Themen Abtreibung, Rechte von Immigranten und bürgerliche Freiheiten. Am Mittwoch wurde der Ton rau. Zuvor hatte Alito erkennen lassen, dass er das maßgebliche Urteil zur Abtreibung, genannt Roe vs. Wade, das Schwangerschaftsabbruch zu einer individuellen Entscheidung erklärte, anzweifeln werde. Alito wurde von Demokraten zudem vorgehalten, Alumni einer Princetoner Organisation zu sein, die Frauen und Minderheiten ausschließt.

Der demokratische Senator Edward Kennedy, ein scharfer Kritiker der Bush-Administration, warf Alito vor, der Regierung in seinen Rechtskommentaren und Schreiben fast uneingeschränkte Vollmachten zugesprochen zu haben. Dies sei „Besorgnis erregend in einer Zeit, in der das Weiße Haus Macht missbraucht, Folter entschuldigt und legitimiert sowie US-Bürger ausspioniert“. Damit bezog sich Kennedy auf die von Bush angeordneten Lauschangriffe gegen US-BürgerInnen. Alito hatte sich mit dem Hinweis verteidigt, er sei überzeugt, dass niemand sich über das Gesetz stellen dürfe – nicht mal der Präsident.

Demokraten und BürgerrechtsvertreterInnen fürchten, dass die Berufung Alitos einen Rechtsruck zur Folge haben könnte. Sie warfen ihm in den vergangenen Tagen vor, unvollständige Antworten zu geben. Daraufhin beschuldigten Republikaner die Demokraten der Unfairness. Alitos Ehefrau verließ am Mittwoch weinend den Versammlungssaal.

Trotz des Ringens um Positionen und Details, gehen Republikaner davon aus, dass der Senat Alito bestätigt. Er muss der Berufung des Kandidaten, der Nachfolger der ausscheidenden Richterin Sandra Day O’Connor werden soll, zustimmen. Der US-Präsident ernennt die neun RichterInnen des höchstinstanzlichen Gerichts auf Lebenszeit. O’Conners Abschied macht die Nominierung Alitos zu einem Politikum: Vier der Richter gelten als konservativ, vier als eher liberal. Der neunte Richter ist Zünglein an der Waage.

Die Republikanerin O’Connor hat sich in ihren 24 Jahren als Oberste Richterin nicht immer an die Wünsche ihrer Partei gehalten. Oft gab sie den liberalen Ausschlag bei Kontroversen über Kirche und Staat, Abtreibung und bürgerliche Freiheiten.

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