Israels Arbeitspartei leitet Wahlkampf ein

Der neue Parteichef Peretz will das Thema soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt seiner Kampagne stellen

JERUSALEM taz ■ Für Israels Arbeitspartei haben die Chancen für einen Wahlsieg nie schlechter gestanden als jetzt. Dennoch gibt sich der neue Chef der Sozialisten, Amir Peretz, siegessicher. „Weil es an der Zeit ist“ lautet die wenig originelle Parole, mit dem die Partei Ende März die Wahlen für sich entscheiden will. Soziale Gerechtigkeit steht ganz oben auf dem Programm, aber: „Wir werden auch Frieden machen“, verspricht der Exgewerkschaftschef mit Ambitionen auf das höchste Regierungsamt im Hinblick auf die Palästinenser.

Peretz zeigt sich unbeeindruckt von den jüngsten Umfrageergebnissen. Die stetig wachsende Sympathie für Kadima, die Liste von Ariel Scharon, überrasche ihn nicht. „Verständlicherweise hegt die gesamte Öffentlichkeit in diesen Tagen Sympathie für den kranken Premierminister.“ Scharon war Ende letzter Woche infolge eines Hirnschlags ins Krankenhaus eingeliefert worden und liegt seither im Koma.

Nach einer von der liberalen Zeitung Ha’aretz in dieser Woche in Auftrag gegebenen Umfrage würden derzeit 44 der insgesamt 120 Knessetsitze an die Kadima fallen. Das sind vier mehr als unmittelbar nach Scharons Erkrankung. Die Arbeitspartei fällt weiter ab auf 16 Mandate, während der Likud ganze 13 Parlamentssitze bekommen würde.

Bei Kadima werden diese Ergebnisse ähnlich skeptisch betrachtet. Keiner glaubt daran, dass die jetzige Stimmung bis zum Wahltermin anhalten wird. Trotzdem zeigt man sich im Umfeld von Ehud Olmert, der den Parteivorsitz vorläufig übernommen hat, zuversichtlich, als deutlich stärkste Liste abzuschließen. Der eher farblose Olmert, der seit Scharons Erkrankung vertretungsweise auch die Regierungsgeschäfte übernommen hat, steht überraschend hoch in der Wählergunst. 44 Prozent der Wähler wünschen sich ihn als Premierminister, 23 Prozent würden Likud-Chef Benjamin Netanjahu, vorziehen, und nur 13,5 Prozent Amir Peretz.

Trotz der überraschenden Popularität Olmerts stellte die Kadima den ohnmächtigen Scharon an die Spitze ihrer Liste, was Peretz als „zynischen Missbrauch“ von dessen Krankheit bezeichnete. „Kadima ist Scharon“, heißt es, ein ganz anderer Fall also als die Arbeitspartei, die über eine „breite Basis“ verfüge.

Peretz lud zusammen mit seinen Genossen an der Spitze der Arbeitspartei diese Woche zum Tag der offenen Tür ins Parteibüro, das ausgerechnet in der Netanjahustraße in Or Jehuda bei Tel Aviv liegt. Sie ist nach Joni Netanjahu benannt, dem in Entebbe gefallenen Bruder des Likud-Chefs. Belustigt zeigte sich der einstige Gewerkschaftschef angesichts der Konfrontation zwischen Netanjahu und Olmert, die beide versuchten, die Haushaltsreform für sich zu verbuchen, was ihm selbst nun einen Rundumschlag ermöglicht. „Natürlich sind beide verantwortlich dafür, dass das Gesundheitssystem vor dem Kollaps steht, und heute selbst die Mittelklasse wirtschaftlich verunsichert ist“, betonte Peretz. SUSANNE KNAUL