Respekt vor dem Rechtsstaat

Terrorhelfer Lokman M. dankt dem Gericht – und muss für sieben Jahre ins Gefängnis

MÜNCHEN taz ■ Im bundesweit ersten Prozess wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ist der Iraker Lokman M. zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Das Oberlandesgericht München befand den 33-Jährigen gestern für schuldig, Mitglied der im Irak aktiven Terrorgruppe Ansar al-Islam und ihrer Nachfolgeorganisation Dschaisch Ansar al-Sunna gewesen zu sein.

Allein zwischen Dezember 2003 und Mai 2004 hätten deren Mitglieder 350 Anschläge mit mehr als 1.000 Toten im Irak verübt. Nach Ansicht des Gerichts war Lokman M. der führende Kopf der Organisationen in Deutschland. Er habe für die Finanzierung und Materialausstattung gesorgt und sich in sechs Fällen des banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern schuldig gemacht.

In der Urteilsbegründung beschrieb das Gericht noch einmal die Zusammenarbeit des Angeklagten mit Leuten wie „Iwan dem Blinden“ oder „Ahmed dem Turkmenen“ sowie die Arbeit der Kampftruppe, mit der M. vor seinem Aufenthalt in Deutschland durch den Nordirak gezogen ist, um das Land dem Islam und der Scharia zu unterwerfen – ausgerüstet mit 106-Millimeter-Granaten und Kalaschnikows.

Im fensterlosen Saal A 101 des Münchner Strafjustizzentrums hatte das Gericht 57 Tage lang gut abgeschirmt verhandelt. Der Angeklagte selbst saß auch an diesem letzten Verhandlungstag still an seinem Platz, eingerahmt von zwei Dolmetschern. Müde war er, gähnte oft, rieb sich die Augen – und wenn da nicht sein langer schwarzer Bart wäre, hätte man ihn für einen Schulbuben halten können, der ein wenig unmanierlich, aber doch mit Respekt vor dem Kadi sitzt. Und Respekt scheint der ehemalige Gotteskrieger bekommen zu haben vor dem Rechtsstaat.

„Er ist kein Freiheitskämpfer, es ging nicht gegen die Amerikaner. Es ging ihm nur um die Durchsetzung seiner religiösen Überzeugung“, urteilte der Vorsitzende Richter Bernd von Heintschel-Heinegg gestern über M., der sich am Dienstag in seinem Plädoyer bedankt hatte: „Im Namen Gottes des Barmherzigen, ich danke meinen Verteidigern, dem Gericht und den Bundesanwälten.“ Die begegneten seinem Glauben mit Toleranz und regelmäßigen Gebetspausen, seinen Taten mit einer aufwändigen und detaillierten Beweisführung.

Darüber war M. gestern augenscheinlich froh. Nach der Urteilsverkündung stand er auf, lachte und winkte. Aber nicht triumphierend. Eher wie jemand, der inzwischen eingesehen hat, dass er etwas Unrechtes getan hat, und der froh ist, dass darüber unerwartet fair gesprochen worden ist. In seinem Plädoyer am Dienstag hatte er gesagt: „Ich bin gegen diese Attentate. Ich bin gegen jeden, der solche Attentate begeht. Das ist alles. Danke.“ Selbst der Bundesanwalt glaubt, dass er diese Worte mehr aus Einsicht als aus Taktik gesagt hat.

MAX HÄGLER