„Das wäre direkte Beteiligung an einem Angriffskrieg“

Christian Ströbele, Geheimdienst-Kontrolleur: „Es spricht viel dafür, dass die deutsche Politik durch die Arbeit des BND bewusst konterkariert wurde“

taz: Herr Ströbele, Sie vertreten die Grünen im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG), das über die Arbeit der Geheimdienste informiert werden muss. Was wussten Sie von den Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Irak?

Christian Ströbele: Offenbar viel zu wenig. Was jetzt über die Zusammenarbeit mit den Amerikanern bekannt wurde, ist unglaublich und entsetzlich. Ich fürchte, dass die Berichte im Kern richtig sind. Es spricht viel dafür, dass die deutsche Politik der Nichtbeteiligung am Irakkrieg durch die Arbeit des BND bewusst konterkariert wurde. So etwas hätte ich mir nicht vorstellen können.

Sie wurden also nicht über die Arbeit des BND informiert?

Über den Inhalt der Sitzungen des PKG darf ich bekanntlich keine Auskunft geben. Aber nach dem, was ich jetzt weiß, war ich jedenfalls nicht ausreichend informiert. Man konnte davon ausgehen, dass der BND auch in Kriegsgebieten Informanten hat. Aber was jetzt berichtet wird, wäre eine direkte Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Und eines kann ich Ihnen sicher sagen: Wenn ich gewusst hätte, dass sich BND-Mitarbeiter an der Kriegsführung im Irak beteiligt haben, wäre das nicht in meinem Herzen verschlossen geblieben.

Wo beginnt für Sie die Beteiligung an einem Krieg? Der BND bestreitet ja, den USA bei der Suche nach Bombenzielen im Irak geholfen zu haben.

Die bisherigen Auskünfte dazu reichen mir nicht. Es muss jetzt ganz genau geklärt werden, wie die Zusammenarbeit abgelaufen ist. Wir fordern von der Bundesregierung eine sofortige, umfassende Aufklärung – nicht nur im geheimen Kontrollgremium.

Hielten Sie es für tolerabel, wenn der BND die USA nur bei der Frage beraten haben sollte, welche Ziele nicht bombardiert werden sollten, etwa Botschaften und Krankenhäuser?

Nein. Auch das würde ja bedeuten, dass es direkten Kontakt und eine Unterstützung derjenigen gab, die im Irak Ziele ausgesucht und dann Bomben geworfen haben. Das wäre eindeutig über der Grenze des Zulässigen – und es spricht ja einiges dafür, dass es zumindest solche Beratungen gab, wenn nicht Schlimmeres. Wenn sich dies bestätigt, muss das inhaltliche und personelle Konsequenzen haben.

Für wen?

Für alle Personen in Leitungsfunktionen beim BND und in der Bundesregierung, die von diesen Aktivitäten wussten, die sie gebilligt oder möglicherweise sogar angeordnet haben.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein Vorgänger Joschka Fischer sagen, sie hätten von einer Unterstützung der USA durch den BND nichts gewusst. Glauben Sie das?

Das muss ich erst einmal hinnehmen. Der damalige Außenminister wäre ja auch nicht zuständig gewesen. Wer wirklich etwas wusste, das muss rückhaltlos aufgeklärt werden, notfalls in einem Untersuchungsausschuss.

INTERVIEW: LUKAS WALLRAFF