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: Vom Völkermord zum Politikermord

Detlev Mehlis selbst hat ihn vorgeschlagen, Kofi Annan hat es bestätigt: Der Belgier Serge Brammertz wird Nachfolger des deutschen UN-Ermittlers zur Aufklärung des Mordes am libanesischen Exministerpräsidenten Rafik al-Hariri. Zunächst bis Juni wird sich Brammertz, 43, jetzt eine Auszeit von seiner Position als Stellvertretender Staatsanwalt beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag nehmen.

Der in Eupen geborene Belgier, der an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg über grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit promovierte, ist eine Koryphäe auf dem Gebiet internationaler Strafverfolgung. In Belgien, wo er bis zu seiner Berufung nach Den Haag 2003 zum Generalstaatsanwalt aufgestiegen war, leitete er unter anderem die Ermittlungen gegen Personen, denen eine Beteiligung am Völkermord in Ruanda 1994 vorgeworfen wurde. Das damalige belgische Völkermordgesetz, das der belgischen Strafjustiz nach dem „Weltrechtsprinzip“ eine universelle Zuständigkeit bei der Verfolgung von Völkermord, Folter und Verbrechen gegen die Menschheit zubilligte, entsprach Brammertz’ Vorstellungen. Umso enttäuschter war er, als das Gesetz 2003 aufgrund starken Drucks der US-Regierung bis zur Gegenstandslosigkeit abgemildert wurde.

Ihn selbst, so hat Brammertz es einmal in Berlin berichtet, haben insbesondere die Ruanda-Ermittlungen, die Berichte der dem Morden knapp entkommenen Zeugen und die Unverfrorenheit der Täter, stark beeindruckt und ihm vor Augen geführt, worum es in seiner Profession wirklich geht. Brammertz’ darauf folgende Berufung nach Den Haag, wo er sich insbesondere mit den Vorermittlungen in der Demokratischen Republik Kongo beschäftigte, wurde aber nicht nur wegen seines großen Engagements begrüßt, sondern auch wegen seiner Erfahrung: Detlev Mehlis kennt Brammertz seit Jahren, weil sie gemeinsam das Netz europäischer Strafermittler aufgebaut haben, deren Ziel es war, „auf dem kurzen Dienstweg“ zusammenzuarbeiten.

Brammertz wird kommende Woche in Beirut erwartet. Sein Hauptziel wird es sein müssen, Syriens Präsident Baschar al-Assad befragen zu können. Der wird von seinem ehemaligen Stellvertreter verdächtigt, den Mord an al-Hariri in Auftrag gegeben zu haben, lehnt aber eine Aussage unter Verweis auf seine Immunität ab.

Das Argument kennt Brammertz. Schon Anfang 2003 hatte er Ermittlungen gegen einen ehemaligen Außenminister des Kongo, Abdoulaye Yerodia, abbrechen müssen, weil der Internationale Gerichtshof unter Berufung auf die Immunität als Minister den belgischen Haftbefehl aufgehoben hatte.

BERND PICKERT