Reisen ins Unfertige

HOCHKULTUR „Matussek trifft …“ Künstler, die er mag (23.45 Uhr, SWR)

In seiner neuen Sendung sitzt Matthias Matussek in einem Studierzimmer voller Bücher, so wie das im 20. Jahrhundert die Bildungsboheme hatte. Auf dem Tisch steht eine Goethe-Büste. Damit ist klar, dass wir es hier nicht mit dem erfolgreichen Videoblog-Entertainer („Matusseks Kulturtipp“) zu tun haben. Sondern mit Hochkultur.

Der Spiegel-Kulturreporter hat vom SWR eine zunächst auf drei Folgen angelegte Sendung bekommen, in der er ein Ideal des Journalisten leben kann. „Ich werde Menschen treffen“, spricht er aus seinem Kabuff heraus, „auf die ICH neugierig bin.“

Wo passiert etwas Neues und wer stößt es an; die großen Fragen also, die seltsamerweise so wenige interessieren. Und: Wie entsteht Kunst? Das will er verfolgen, diskutieren, sich erklären lassen. Reisen ins Unfertige.

In New York trifft er die Opernsängerin Annette Dasch, 31, der er eine Weltkarriere prognostiziert. Und in Prag beobachtet er Alexander Sokurow bei dessen Verfilmung von „Faust“. Diskutiert mit ihm über das „Deutschtum“ von Goethes Figuren – für den Russen ein Mix aus Abgründigkeit und Poesie.

Den Schauspieler Klaus Maria Brandauer lädt Matussek zu sich und Goethe in die Klause – weil er ihn großartig findet. Und als der sagt, er habe im Beruf nur Glück gehabt und im Leben auch, „bis auf eine Tragödie, über die ich nicht spreche“, murmelt Matussek „hmhmhm“. Und stellt die nächste Sachfrage.

Keine Faxen, hektischen Schnitte, keine Überinszenierung, kein Augenzwinkern zum Sendungsende. Dafür Zeit, die neuen Helden kennenzulernen.

Manche werden zusammenzucken, aber was soll’s: Wenn’s so weitergeht, wird Matussek noch zum Protagonisten des Journalismus, den es zu bewahren bzw. zu erfinden gilt. Oder zum Helden des elitären High-End-Kulturkonsumenten, der sich gegen deren Demokratisierung stemmt. Aber Vorsicht: Trotz allem hat die Sendung einen Unterhaltungsfaktor. Peter Unfried