Ein Machtwort

Hochverehrte Leserinnen und Leser, liebe Abonnentinnen und Abonnenten,

als Redaktionsleiter der taz nrw habe ich mit einigem Langmut auf die Rettungskampagne „halb gerettet“ reagiert. Ob es die Westfalenausgabe war, die Maxi-Version, die Ausgabe mit Bildbeschreibungen statt Fotografien. Ob es sich um die Nummer mit halben Überschriften handelte, die mit halbherzigem Journalismus oder das Blatt ohne Texte – nach aufreibenden Diskussionen habe ich mich stets zu neuem Unfug und Schabernack überreden lassen.

Damit nicht genug: Ich ließ es mit mir machen, am Produktionstag der Rettungsausgabe meinen Chefsessel an KollegInnen abzutreten. Ich überließ die Kommandobrücke dann etwa der kurzsichtigen Volontärin, den Ost- und Westfalen oder den halbherzigen Zwei und und und. Das fiel mir alles wirklich nicht leicht.

Doch nun ist mein Geduldsfaden endgültig gerissen! Ich erkläre die Kampagne „halb gerettet“ hiermit einfürallemal für beendet. Und nachdem meine Faust am Donnerstagabend auf die Tischplatte sauste, ist wohl auch dem Letzten klar, das ich es ernst meine mit meiner Drohung – entweder ich oder die Kampagne!

Das Aus wiegt umso stärker, weil die Kampagnenziele keineswegs erreicht wurden: Für eine dauerhafte Existenz der taz nrw braucht es viele Abos. Um genau zu sein, hält das Projekt im Land zwar Wachstumskurs, aber das Wachstum fällt nur halb so stark aus wie nötig. Und deshalb haben wir uns „halb gerettet“ ausgedacht, haben zum Wochenende Rettungsausgaben entworfen, um die Gelegenheitsleser aufzuforden, ins taz-Abo einzusteigen. Das alles ist immer noch richtig, aber was genug ist, ist genug!

Als die Redaktion am Donnerstagabend tagte, um die aktuelle Rettungsausgabe zu konzipieren, wurde es mir zu bunt. Die Vorschläge zum „halb gerettet“ Motto waren an Grenzdebilität und Sinnlosigkeit nicht zu überbieten. Konkreter: A. schlug vor, nur mehr in Halbschuhen zu erscheinen, P. sprach von Hemden mit halbem Arm. H. forderte ein halbseidenes Foto von sich auf dem Titel. N. bestellte nur noch halbe Biere. M. plädierte für die Becquerel-Tabelle mit Halbwertzeiten, das habe die taz seinerzeit groß gemacht. T. faselte was von der Mutter aller Pro-und-Kontras: „Ist das Glas halb leer oder halb voll?“ M. brach auf, um ihre bessere Hälfte die Arbeit machen zu lassen. Und S. schrieb alle Jugendvokabeln, die sie kennt auf einen Bierdeckel und brüllte: „Lasst uns ‘ne krass vollfette Halbstark-Ausgabe machen!?“ Und? Wie hätten Sie darauf reagiert?

Ich musste handeln und setze auf Ihr Verständnis. Bleiben Sie uns gewogen!CHRISTOPH SCHURIAN