„Heilloses Durcheinander“

Statt sich zu einem Linksbündnis zu formieren, wie es die Bundesvorstände wollen, zerstreiten sich die Landesverbände von WASG und Linkspartei. Der Parteienforscher Tim Spier erklärt die Gründe

Eigentlich wollen sie 2007 zu einem Linksbündnis fusionieren, doch derzeit sind WASG und PDS/Linkspartei auf der Landesebene heillos zerstritten, weil ein Großteil der WASG-Basis befürchtet, von der SED-Nachfolgepartei geschluckt zu werden. In Mecklenburg-Vorpommern etwa droht die WASG bei den diesjährigen Landtagswahlen gegen die PDS anzutreten. In Schleswig-Holstein haben sich WASG-Kreisverbände aus Protest aufgelöst.

taz: Hätte man das Chaos vermeiden können, wenn es nicht so schnell zu einem Wahlbündnis gekommen wäre?

Tim Spier: Nein, es war sogar günstig, dass die vorgezogenen Neuwahlen einen solchen Druck verursacht haben, der eine intensive Diskussion verhindert hat. So konnte es überhaupt zu dem Bündnis kommen. Die kulturellen Gegensätze zwischen den verschiedenen Gruppen wären in jedem Fall aufgebrochen.

Ist eine solche Phase normal bei Partei-Neugründungen?

Ja. Es ist ähnlich wie bei den Grünen, das war jahrelang ein heilloses Durcheinander. Man kann das auch bei anderen Parteien beobachten, zum Beispiel gab es Anfang der 80er die „Demokratischen Sozialisten“, die sich von der SPD abgespalten hatten. Die waren allerdings so zerstritten, dass sie nie bei einer Bundestagswahl angetreten sind.

Vor anderthalb Jahren, als die PDS noch nicht Linkspartei hieß, haben Sie vor Flügelkämpfen wie bei der Gründung der Grünen gewarnt. Das hätte im damaligen gesellschaftlichen Klima Anfang der 80er durchaus seinen Charme gehabt, würde in Zeiten materieller Not aber abschrecken.

Ich glaube, dass diese Konflikte beim Großteil der Bevölkerung gar nicht angekommen sind. Sie finden ja auf lokaler oder Landesverbandsebene statt. Und den meisten Menschen ist gar nicht bewusst, dass es verschiedene Linksparteien gibt. Sie glauben dass eine Vereinigung längst stattgefunden hat. Wenn WASG und PDS bei Landtagswahlen demnächst gegeneinander antreten, dann könnte das natürlich ein großes Fragezeichen hinter die Zukunft eines Linksbündnisses setzen.

Was würde passieren, wenn sich Teile der WASG wie angedroht abspalten?

Die Linkspartei wäre mit einem Teil der WASG immer noch stark genug, um als einzige linke Kraft wahrgenommen zu werden.

Aber von WASG wäre dann nicht mehr viel vorhanden.

Nein, das wäre eine „PDS mit Lafontaine“.

Können die Bundesvorstände noch schlichten?

Die Zeiten sind wohl vorbei. Anfangs haben sie es noch versucht, aber es war doch zu deutlich, dass sie ein Eigeninteresse verfolgen, nämliche eine schnelle Vereinigung. Eine Möglichkeit ist natürlich, ganze Landesverbände auszuschließen, wenn die gegen den Beschluss des Bundesverbands bei Landtagswahlen gegeneinander antreten.

Der Linkspartei-Vorsitzende Gregor Gysi erklärt sich das Chaos damit, dass in jeder Partei „zehn Prozent Irre“ seien.

So drastisch würde ich es nicht formulieren, aber wenn sich neue Parteien bilden, dann zieht das Leute, die relativ ungewöhnliche politische Meinungen haben, einfach magisch an. Das war auch bei den Grünen so.

Interview: Eiken Bruhn