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Merkel warb für einen „offenen und ehrlichen Dialog“ zwischen den USA und Deutschland auch in Streitfragen

In Merkels Deutschland wünschen sich die USA wieder den verlässlichen Brückenkopf in Europa

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

„Wir werden ausführlich über eine Strategie für den Umgang mit Iran im Sicherheitsrat reden – das ist, was Freunde tun.“ So hat US-Präsident George W. Bush gestern den Umgang mit der Irankrise im Gespräch mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel beschrieben. Beide, Bush und Merkel, seien sich in ihrem Ziel einig, unbedingt zu verhindern, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen komme – wie dieses Ziel zu erreichen sei, sei nun Gegenstand vertrauensvoller Beratungen.

Der Iran mag das wichtigste Thema gewesen sein – und doch nur eines unter sehr vielen, die Bush und Merkel bei ihrem ersten Treffen besprachen. Merkel betonte schon in ihrer ersten Stellungnahme auf der gemeinsamen Pressekonferenz, dass sie ihre Haltung zum US-Gefangenenlager Guantánamo offen angesprochen habe, wollte aber auch auf Nachfrage der Journalisten im Weißen Haus nicht näher darauf eingehen, worauf sich ihre Kritik genau bezogen habe. Stattdessen zeigte sie großes Verständnis dafür, dass der Umgang mit Terroristen, die sich ihrerseits ebenfalls an keine Regeln hielten, nicht einfach sei. Bush hingegen wies die Kritik rundheraus zurück und erklärte erneut, dass Guantánamo ein notwendiger Bestandteil des Antiterrorkampfes sei. Guantánamo solle kein rechtsfreier Raum sein – Militärgerichte würden sich der Gefangenen annehmen.

Gefragt, ob er von den mutmaßlichen Aktivitäten zweier BND-Beamter in Bagdad 2003 gewusst habe, sagte Bush scherzend: „Nein, das war doch Geheimdienstarbeit.“ Er habe von dem Thema erst gestern aus der Presse erfahren.

Für Merkel hatte Bush nur Lob übrig: „Sie ist schlau“, sagte er. Er sei besonders von ihrer Lebensgeschichte und ihrem Sinn für Freiheit beeindruckt. Er sehe allen zukünftigen Kontakten, Telefongeprächen und Treffen mit Freude entgegen, sagte Bush. Merkel kann sich glücklich schätzen: Sie wird mit offenen Armen empfangen.

Die Kanzlerin beherrscht zum Glück eine in Washington sehr geschätzte Kunst, nämlich die Gäste eines Dinners mit einem anfänglichen Scherz aufzuwärmen. Ihr Tischherr, der ehemalige US-Außenminister Colin Powell, erzählte Angela Merkel am Donnerstagabend augenzwinkernd, habe sie vor dem Dinner besorgt gefragt, ob sie vorhabe, zum Auftakt ihres Antrittsbesuchs in den USA eine mehrstündige Grundsatzrede auf Deutsch zu halten. „Ich habe ihm dann angeboten, das Ganze in sächsischem Akzent zu machen, um seine Deutschkenntnisse auf besondere Weise zu überprüfen“, sagte Merkel und fügte hinzu: „Es schien mir dann doch, dass er darauf keinen Wert legt.“

Den richtigen Ton zu treffen zwischen den hohen Erwartungen ihrer amerikanischen Gastgeber und der kritischen Grundstimmung zu Hause, das dürfte die heikelste Aufgabe der Kanzlerin bei ihrem ersten offiziellen Besuch in Washington gewesen sein. Doch hat Merkel auf der US-Seite leichtes Spiel. Nie, so scheint es angesichts der Menge an Roter-Teppich-Terminen für die deutsche Kanzlerin, hat Washington höhere Erwartungen an seinen Besuch aus der Bundesrepublik demonstriert. Schon in den Wochen vor ihrer Ankunft soll sich das Weiße Haus ungewöhnlich hilfsbereit selbst bei kleinsten organisatorischen Problemchen gezeigt haben, heißt es aus der Botschaft. Alle in Washington waren gespannt auf die erste Frau an Deutschlands Spitze.

Die hochrangigen Gäste schon am Donnerstagabend verkörperten das, was die US-Presse am Freitag dann formulierte: Neugier und Hoffnung auf die neue deutsche Regierungschefin und auf eine Annäherung zwischen Deutschland und den USA. Dabei spielen gerade Merkels Biografie und ihre Erfahrungen als Ostdeutsche, mit denen sie in Washington zu kokettieren scheint, eine herausragende Rolle für die amerikanischen Gemütslage. Als Ostdeutscher mit Distanz zur damaligen DDR-Führung, so der Tenor jenseits des Atlantiks, muss ihr eine besondere Nähe zu den Vereinigten Staaten und deren Grundsätzen zugeschrieben werden. In Merkels Deutschland, so die Hoffnung, könnten die USA endlich wieder den verlässlichen europäischen Brückenkopf in Europa finden.

Deutschland, so die Analysten der Denkfabriken, sollte jetzt endlich die „Maklerfunktion“ einnehmen. Hieß die Maxime der transatlantischen Freundschaft unter Kanzler Helmut Kohl noch „Partners in leadership“, so nannte es US-Außenministerin Condoleezza Rice kürzlich die gemeinsame „transformationelle Diplomatie“, die die Achse Washington–Berlin bewerkstelligen könnte – wäre man wieder gut Freund.