Lieber Mathematikerin als eine Prinzessin

LEITFIGUR Die Erwartungen an die neue politische Geschäftsführerin Katharina Nocun sind riesengroß. Dabei tritt sie ein schwieriges Erbe an

NEUMARKT taz | Noch einmal ist es fast wie früher. Fotografen und Kamerateams drängen sich um Katharina Nocun, die neue politische Geschäftsführerin. Im Viertelstundentakt gibt die Politikstudentin Interviews. Onlineredaktionen adeln die 26-jährige Netzaktivistin prompt zur „Piraten-Prinzessin“. Selbst Bild.de widmet der „hübschen Studentin“ spontan ein paar freundliche Zeilen und fragt: „Haben die Piraten eine neue Ikone?“

Die Anspielungen sind unmissverständlich. Katharina Nocun ist wortgewandt, klug, strebsam, und, ja, sie sieht auch gut aus – genau wie ihre geliebte Vorvorgängerin Marina Weisband, die sich im Frühjahr 2012 erschöpft aus der Parteispitze zurückzog. Könnte Katharina Nocun die neue Identifikationsfigur der Piraten werden?

Katharina Nocun schaut ein wenig hilflos, wenn man sie auf solche Vergleiche anspricht. Prinzessin? „Ich wollte als Kind nie Prinzessin werden, sondern Mathematik studieren.“ Klar gebe es Ähnlichkeiten mit Marina Weisband: „Wir sind beide weiblich, jung, studiert, in Osteuropa geboren. Ihr Weg zu den Piraten sei aber ein ganz anderer gewesen. Anders als Marina Weisband, die eher zufällig in die Partei stolperte, hatte Katharina Nocun schon sechs Jahre in der digitalen Bürgerrechtsbewegung für Datenschutz gestritten, als sie schließlich Piratin wurde.

Und das ist nicht der einzige Unterschied. Die neue Frontfrau der Piraten ist für unermüdliche Detailarbeit bekannt. Während Marina Weisband die Presse bereitwillig mit Anekdoten über ihre Liebe zum Tango oder ihren Verlobten fütterte, fiel die neue Geschäftsführerin der Piraten nie als charismatische Selbstvermarkterin auf. Nach den Gründen für ihre Blitzkarriere in der Partei gefragt, spricht sie von dem „Vertrauensvorschuss“ dank ihres jahrelangen Engagements als Datenschützerin und sagt: „Ich arbeite am liebsten inhaltlich.“

In ihrer Antrittsrede trat Katharina Nocun zunächst kämpferisch auf. Die Partei solle sich gefälligst den „Arsch aufreißen“, donnerte sie ins Mikro. „Ich möchte von niemandem mehr hören, dass wir diese Bundestagswahl nicht wuppen werden!“ Die Basis im Saal dankte es mit „Katta! Katta!“-Rufen. Doch schon in der ersten Pressekonferenz zeigte sich die neue Vorstandsfrau wieder so wohltemperiert wie gewohnt. Sie antwortet druckreif, aber gern ausweichend, mit unverfänglichen Sätzen wie: „Ich sehe die Piraten als langfristiges Projekt.“

Die 26-Jährige tritt ein schwieriges Erbe an. Viele Piraten trauern noch immer der VIP-Piratin Marina Weisband nach. Ein Jahr lang haben sie sich nun mit deren Nachfolger gequält – dem selbst erklärten „Freak“ Johannes Ponader. Die Partei ist in Umfragen abgestürzt. Selbst Parteichef Bernd Schlömer wirkt in jüngster Zeit ernüchtert von der eigenen Truppe. Am Rande des Parteitags sagte er, er werde sich auch im Wahlkampf zurückhalten. Erlöser verzweifelt gesucht.

Die Erwartungen an die neue Spitzenpiratin sind fast unerfüllbar groß. Und so bemühte sich ihr Vorstandskollege Klaus Peukert am Wochenende im oberpfälzischen Neumarkt, die Hoffnungen schon mal ein wenig zu dämpfen: Es solle bitte niemand glauben, „dass ab Montag alles gut wird, weil die Katta im Vorstand sitzt“. ASTRID GEISLER