Lust auf Prügeleien

Eishockey-Schiedsrichterin Michaela Kiefer pfeift am liebsten in den Männerligen: körperliches Spiel und rauer Umgangston sind erwünscht

Anfangs wehrte sich Michaela Kiefer, aus Angst der Buhmann zu sein

VON ROLAND LEROI

Wenn sich harte Eishockey-Cracks so richtig prügeln, dann ist Michaela Kiefer am liebsten mittendrin. „Find ich klasse“, sagt sie, „ich zeig denen, dass ich nicht nur was vom Abseits verstehe, sondern auch die Kraft habe, wütende Kerle auseinander zu reißen“. Kiefer muss sich relativ häufig mit solchen Situationen befassen. Die 32-jährige Duisburgerin ist Eishockey-Schiedsrichterin und pfeift höherklassige Männerspiele bis in die Zweite Liga – zumeist sehr souverän. Der Internationale Eishockeyverband (IHF) nominierte sie daher vom 10. bis 26. Februar für das Frauen-Turnier bei den Olympischen Winterspielen in Turin. „Dann will ich ins Finale“, meint sie selbstbewusst.

Kiefer hat schnell gelernt, sich durchzusetzen. Erst vor vier Jahren erwarb sie beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB) ihre Schiedsrichter-Lizenz und bestritt seitdem drei Frauen-Weltmeisterschaften. „Vorher wehrte ich mich immer, weil ich nicht der Buhmann sein wollte“, sagt sie. Von 1.000 Zuschauern ausgepfiffen zu werden, könne doch keinen Spaß machen, glaubte sie damals. Die ehemalige Spielerin pfiff lieber mit, wenn sie auf der Tribüne Spiele verfolgte. Ein guter Freund überredete sie zum Lehrgang. „Macht ja doch Spaß“, stellte Kiefer fest. Und die Zuschauer-Pfiffe? „Stecke ich weg, manchmal brauche ich sie auch.“

Als Frau und Schiedsrichterin bietet sie eine doppelte Angriffsfläche. Häufig gibt es derbe Schimpfwörter. „Blöde Tussi“, „Schlampe“ oder „dumme Kuh“ gehören zu den harmloseren Ausdrücken. „Manche Spieler verwünschen mich auch in die Küche, dabei wissen die gar nicht, wie ich koche“, sagt die Junggesellin. In ihrer Ehre gekränkt fühlt sie sich dann nicht: „Solange es über der Gürtellinie bleibt, bin ich nicht kleinlich und schicke keinen auf die Strafbank.“ Wenn das Publikum „Ausziehen“ ruft, winkt sie cool zurück. Die Schiedsrichterin freut sich statt dessen über die Anerkennung, die im Laufe der wenigen Jahre wuchs. „Anfangs waren die Cracks skeptisch und fragten, ob ich überhaupt Schlittschuh laufen könne. Jetzt bekomme ich von Trainern und Spielern viel Lob“, sagt sie.

Akteure, die sie auf die Strafbank schickt, bekommen zur Entschädigung einen festen Klaps aufs Hinterteil. „Ich will ja auch Spaß haben“, lacht sie. Die lockere Art kommt meistens an. „Nur einmal bat mich ein Spieler, ihn nicht mehr auf den Hintern zu schlagen, weil seine Freundin im Publikum saß“, erinnert sich Kiefer. Manchmal fragen die Akteure schon auf dem Eis, ob sie nicht später noch Lust auf ein Bier habe. „Das klappt aber nicht, weil ich nach Spielen in Crimmitschau oder Rießersee schnell wieder nach Hause muss.“ Mit dem Zug: Hauptberuflich arbeitet sie als Controllerin bei der Deutschen Bahn.

Etwa 50 ihrer rund 70 Saisoneinsätze absolviert sie bei den Männern, zumeist in der drittklassigen Oberliga. Alle Wochenenden zwischen August und April gehen für ihr Hobby drauf. Die Partien in der Frauen-Bundesliga machen nur halb so viel Spaß. „Frauen sind zickiger und nachtragender. Wenn ich die mal für zwei Minuten auf die Bank schicke, halten die mir das noch Wochen später vor“, erzählt Kiefer. Verwarnte Männer schenken ihr dagegen sogar Lunchpakete für die Rückfahrt. „Eishockey ist eben ein Männersport, bei den Frauen geht es auch nicht so rustikal und schnell zu“, meint sie.

Durch die Erfahrungen im Herren-Bereich erarbeitete sie sich das Rüstzeug für die internationale Karriere bei den Damen. „Ohne die Männer wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Kiefer. Jetzt freut sie sich auf Turin. „Olympia wird ein absolutes Highlight. Ich darf sogar bei der Eröffnungsfeier mit einmarschieren“, sagt Kiefer. Neben der Münchnerin Bianca Walter die einzige Deutsche unter den 18 Schiedsrichterinnen sein wird. „Wir bilden internationale Gespanne, Amtssprache ist Englisch“, erklärt sie. Abgesehen von Olympia 2010 ist ihr langfristiger Traum ein Einsatz in der DEL, der höchsten deutschen Liga. „Einmal vor 10.000 Fans den geilsten Sport der Welt leiten.“