Würde kostet nix

Die Landeskasse ist unantastbar: Menschenrechtswidrig Eingesperrter hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld

Auch wenn Niedersachsen die Belegung von Gefängniszellen mit mehreren Häftlingen künftig sogar per Gesetz erlauben will: Nach einem jüngsten Beschluss des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts (BVG) wäre das völlig unnötig. Das BVG lehnte den Antrag eines ehemaligen Strafgefangenen der Justizvollzugsanstalt Hannover auf Schmerzensgeld in Bausch und Bogen ab.

Der damals 25-Jährige war vor drei Jahren mit vier weiteren Häftlingen zwei Tage lang in einem 16 Quadratmeter großen Haftraum ohne räumlich abgetrennte Toilette eingepfercht gewesen.

Weil EU-Richtlinien mindestens 7,6 Quadratmeter pro Häftling vorsehen, hatte das Landgericht Hannover im Juli 2003 dem Kläger wegen „menschenunwürdiger“ Unterbringung ein Schmerzensgeld von 200 Euro pro Tag aus der Landeskasse zugesprochen. Allerdings verwarfen Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof das Urteil. Anwalt Axel Feller wäre „gern nach Karlsruhe gegangen“, um durchzusetzen, dass seinem Mandanten ohne Entschädigung die Genugtuung für den Verstoß gegen die im Grundgesetz verbriefte Menschenwürde versagt werden würde. Immerhin hat Feller noch weitere 40 Fälle von Häftlingen, die sich ebenfalls unzulänglich untergebracht fühlten, vorliegen. Aber daraus wird nichts.

Der Beschwerde komme keine verfassungsrechtliche Bedeutung zu, befand das BVG. Selbst dann „wenn mit dem Oberlandesgericht und dem Bundesgerichtshof davon ausgegangen wird“, heißt es in dem Beschluss, dass die Unterbringung „die Menschenwürde des Beschwerdeführers verletzt hat“, müsse dies nicht zwangsläufig zu einem Schmerzensgeld führen. Damit bestätigte das oberste Gericht die Auffassung der Vorinstanzen, die Unterbringung habe gegen Artikel 1 des Grundgesetzes verstoßen. Nur: Daraus lässt sich für den ehemaligen Häftling kein Kapital schlagen. „Eine unmittelbare Staatsunrechtshaftung“ sei „von Verfassung wegen nicht gefordert“, verweist der höchstrichterliche Beschluss auf eine der politisch umkämpftesten Entscheidungen des Karlsruher Gerichts – das Urteil, das 1982 das sozialliberale Staatshaftungsgesetz kassiert hatte.

Auch den jetzigen BVG-Spruch hält Anwalt Feller für eine „politische Entscheidung“, weil die Durchsetzung von Entschädigungen die Finanzminister vieler Länder viel Geld gekostet hätte. Da es nicht sein dürfe, „dass ein Verstoß gegen die unantastbare Menschenwürde nicht so schlimm“ ist, überlegt er nun, mit seinem Anliegen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. ksc