In Daunengewittern

Ho, Ho, hoch die internationale Infantilität! Mitten im Shopping-Trubel wurde Hamburgs belebteste Einkaufsmeile Schauplatz einer kurzen aber heftigen Freiluft-Kissenschlacht. Ein Frontbericht

von Christina Stefanescu

Hamburg am 14. Januar. Ein ganz normaler Samstagnachmittag. Einheimische und Touristen schlendern über die Mönckebergstrasse. Durchkommen ohne angerempelt zu werden – schier unmöglich. Es ist kalt, 0 Grad vielleicht. Der Himmel beinahe wolkenlos. Zwischen Kaufhof und Saturn stehen sie, die Einkäufer mit den voll gepackten Tüten und strecken die Gesichter der wärmenden Januarsonne entgegen, Metti, 22, und ihre Schwester Monika, 28, zum Beispiel, die Hände tief in den Manteltaschen vergraben. Sie stehen da und kichern. Zwischen Monikas Beinen ruht eine große, ausgebeulte, graue Plastiktüte. Wer hineinlugt, sieht Ikea-Bettwäsche, blau mit roten Rosen. Zehn nach drei.

15 Meter von den Mädchen entfernt steht Harry, 21, zu seinen Füßen drei Lidl-Tüten, ausgebeult. Kissen hat er darin verstaut, Federkissen. In einem ist ein Schnitt, einige Federn quellen heraus. Harry grinst. Auch er wartet. Immer mehr ausgebeulte Plastiktüten erspäht, wer genau hinschaut.

15.15 Uhr. Ein Mann, Ende zwanzig vielleicht, je ein Federkissen ohne Bezug in der rechten und linken Hand, geht mit großen, schnellen Schritten zu einer Laterne mitten auf dem Platz. Er reißt eines der Kissen auf. Binnen Sekunden stürmen von allen Seiten junge Leute zur Laterne. 40 werden es wohl sein. Sie haben die Kissen aus ihren Plastiktüten gezogen. Metti trifft Monika am Rücken, die Ikea-Bettwäsche besteht den ersten Belastungstest. Monika dreht sich um und will sich rächen, da wird sie von einem Mitkämpfer am Kopf getroffen. Die Federn fliegen.

Die kämpfende Menge wird umringt von neugierigen Passanten, die dem infantilen Spiel mit großen Augen zuschauen. Eine Kissenschlacht, so wie früher, nur größer und draußen. Manch einer schüttelt den Kopf. „Was soll das denn?“, fragt eine ältere Dame. Andere lachen und ärgern sich, dass ihr Kissen daheim im Bett liegt.

Die Idee kommt aus London. Hunderte haben sich dort schon auf dem Trafalgar Square eine Kissenschlacht geliefert. Auch in Madrid, Toulouse oder Tel Aviv wurde bereits gekämpft. Die erste Outdoor-Kissenschlacht in Deutschland gab es im Dezember in Düsseldorf. Jetzt also Hamburg: Harry, Metti, Monika und die anderen bekommen von den umstehenden Passanten nichts mit. Sie lachen, laut, schrill. Verschnaufen? Keine Chance.

Nach drei Minuten werden die Arme schlapp. Federn wirbeln durch die Luft. Erfahren haben die meisten hier via Internet von der Kissenschlacht. Auf der Seite des Pillow Fight Klub, der am 20. Januar ab 23 Uhr im Mandarin Kasino eine Kissenschlacht-Party veranstaltet, war auf den Outdoor-Termin hingewiesen worden. Ein mysteriöser Herr Kipper sei der Ansprechpartner für Interessierte. Bis Freitag waren lediglich Datum, Uhrzeit und Regelwerk bekannt: Die erste Regel des Pillow Fight Klub lautet: Rede nicht über den Pillow Fight Klub! Zweite Regel: Rede NIE über den Pillow Fight Klub! Drittens: Wenn jemand „Stop“ ruft, schlappmacht oder am Boden liegt, ist der Kampf vorbei! Nummer Vier: Nur jemand mit Kissen darf angegriffen werden. Fünf: Alle auf einmal, je mehr desto besser! Sechste Regel: Kein Schmuck, keine Ringe! Siebte Regel: Die Kissenschlacht dauert genau so lange, wie sie dauern muss! Unsere Erfahrung sagt jedoch: Besser ein kurzer und intensiver Kampf! Achte und letzte Regel: Wenn dies dein erster Pillow Fight ist, musst du kämpfen!

Erst 10 Stunden und 34 Minuten vor dem Fight landete die entscheidende Mail in den Postfächern derer, die sich vorher bei Herrn Kipper angemeldet hatten. Auch Monika hat diese Mail bekommen. Sie stemmt die Hände in die Hüften und prustet. „Verdammte Federn, aber ein toller Spaß“, sagt sie. Dann geht’s weiter. Arendt, 27, der später sagen wird, dass das der neue Fitness-Trend nach Tae-Bo werden könnte, hat sein Kissen in Monikas Richtung geschleudert. Ein letzter Angriff, dann ist die Schlacht geschlagen, nach zehn Minuten.

Zurück bleiben tausende Federn, acht Plastiktüten, zwölf kaputte Kissen und zwei Dutzend ungläubige Passanten. „Und wer macht den Dreck weg?“, fragt einer von ihnen. Andere fotografieren mit ihren Handys das Schlachtfeld. Eine halbe Stunde nach dem Kampf trifft die Polizei am Tatort ein. Weil kein Verantwortlicher angetroffen wird, bestellen die Beamten die Stadtreinigung. Der kämpfende Mob hat sich in der Stadt verteilt. Ihnen allen gemein: die Erinnerung. Und der leichte Husten – wegen der Federn.