Happy Birthday, Chaosclub

Auch der 1. FC Union Berlin feiert 40-jähriges Bestehen. Der Club hat oft gegen die Pleite gekämpft – das vereint

Tino Czerwinski und Gerald Karpa kommen aus zwei unterschiedlichen Zweigen der selben Familie. Sie sind eingefleischte Anhänger des 1. FC Union Berlin, jenes Vereins aus dem Südosten der Stadt, der nur selten große Erfolge zu feiern hatte und vielleicht gerade deshalb so populär ist. Vor zwei Jahren haben sich die beiden kennen gelernt. Czerwinski hatte den Auftrag vom Verein, eine Art Festschrift zu verfassen für das Jahr 2006, das Jubiläumsjahr von Union. Der 40. Jahrestag der Clubgründung wird gefeiert.

Vor 100 Jahren schon wurde der erste Fußballverein in Oberschöneweide gegründet. Der selige FC Olympia 06 gilt als Urahn des FC Union, und deshalb wird in diesem Jahr an der Alten Försterei nicht nur das 40., sondern auch gleich das 100. Jubiläum gefeiert.

Stehplatz-Urgestein Czerwinski machte sich also an die Arbeit. Schnell musste er feststellen, dass es gar nicht so leicht ist, an Material über die Geschichte Unions zu kommen. Der Verein unterhält kein Archiv. Czerwinski suchte nach Unterstützung. Über Bekannte und über die Fanforen des FC Union ist er auf einen entfernten Verwandten in der Union-Familie gestoßen, auf Gerald Karpa, einen erfahrenen Hörfunkjournalisten. Die beiden haben sich zusammengetan. Ende vergangenen Jahres haben sie ihr Buch vorgelegt. Der Titel: „1. FC Union Berlin“. Natürlich.

Viele Bilder haben die Autoren zusammengetragen, das Wichtigste aus der Clubhistorie in kurzen Artikeln aufbereitet. Herausgekommen ist ein äußerst nüchternes Erinnerungsbändchen, das nicht so recht weiterhilft bei der Ergründung des Phänomens FC Union. 2.000 Menschen waren zu Saisonbeginn zum ersten Training ihrer Mannschaft gekommen. Warum? Union stand vor seiner ersten Saison in der Oberliga, der vierten Spielklasse. Karpa und Czerwinski schwärmen von ihrer rot-weißen Familie, von der Hoffnung, dass der Verein niemals untergehen dürfe. Die Anhänger wollen auch in schlechten Zeiten zeigen, wie wichtig ihnen ihr Club ist. Karpa mag an ein Aus für den so oft von der Pleite bedrohten Club nicht denken: „Wenn du, wie ich, 27 Jahre dabei bist, wäre ein Stück des Lebens weg.“

Kollege Czerwinski erzählt von der Phase Mitte der Neunzigerjahre, als es Union besonders dreckig ging. Er hat sich sogar ins Präsidium wählen lassen, um zu verhindern, dass aus Union ein Frauenfußballverein wird. „Ja, das haben die wirklich einmal vorgehabt“, regt er sich noch heute auf. Er wähnt den Verein auf einem guten Weg. Die Stimmung sei in Ordnung. „Wenn sich die Leute über die Qualität des Stadionsprechers unterhalten und darüber, ob die Trikots auch rot genug sind, kann es so schlimm nicht sein“, findet Czerwinski.

Kein Wort über den BFC

Über den BFC Dynamo, den Dauermeister des DDR, reden beide nur ungern. Nicht, weil sie den Verein etwa hassen würden. Nein, er spielt für die beiden einfach keine große Rolle in der Geschichte Unions. In ihrem Buch kommt er überhaupt nicht vor. Auch in das Lied vom tapferen Underdog, dessen Anhänger allesamt überzeugte Widerstandskämpfer gegen die Staatsmacht gewesen seien, stimmen die zwei nicht ein. Ohne ausdrückliche Zustimmung der zuständigen politischen Organe hätte kein Verein in der DDR gegründet werden können. „Aber“, sagt Czerwinski, „wer gegen das Regime war und sich für Fußball interessiert hat, der ist natürlich zu Union gegangen, nicht zum Stasiclub.“

Am kommenden Freitag ist der offizielle 40. Geburtstag. Der Verein plant einen Sektempfang auf dem Parkplatz vor dem Trainingsgelände. Karpa schüttelt den Kopf: „Das ist wieder so chaotisch organisiert. Typisch.“ Auch Czerwinski winkt ab. „Das wird wieder so etwas werden“, sagt er. Hingehen werden sie trotzdem. Schließlich ist es eine Familienfeier.

Andreas Rüttenauer