… 3, 2, 1, Zündung!

Um den „Wettlauf zum Mond“ (21.00 Uhr) zwischen USA und UdSSR zu dokumentieren, greift diese internationale Produktion tief in die Trickkiste

VON RENÉ MARTENS

Der deutsche Raketenkonstrukteur und SS-Major Wernher von Braun hätte eigentlich als Kriegsverbrecher verurteilt werden müssen, denn beim Bau seiner V 2-Raketen ließen 20.000 Zwangsarbeiter ihr Leben. Doch weil die Amerikaner im sich anbahnenden Kalten Krieg von Brauns Wissen für ihr Weltraumprogramm nutzen wollten, avancierte er in der freien Welt schnell zu einem Helden der Wissenschaft.

In dem Vierteiler „Wettlauf zum Mond“ beleuchten die Autoren Debbie Cadbury und Volker Zielke darüber hinaus einen zumindest im Westen kaum bekannten Kernaspekt. Von Braun hatte einen Gegenspieler: Sergej Koroljow. Während der Exnazi ein internationaler Medienstar war, gab die UdSSR die Identität ihres wichtigsten Raketenspezialisten erst preis, als er 1961 starb.

„Aufbruch ins All“, der erste Teil des heute startenden Mehrteilers, beginnt im September 1944, als sowohl Amerikaner und Sowjets im kollabierenden Deutschland möglichst viele V 2s und Pläne an sich zu bringen versuchen. Koroljow ist zu diesem Zeitpunkt noch in einem Arbeitslager interniert, aber weil sein Land ihn braucht, um mit von Brauns Material arbeiten zu können, kommt er frei.

Heute, da es nur noch eine Welt gibt, nimmt sich ein britischer Sender (die BBC) dieser Geschichte an. Russen (Channel One), Deutsche (NDR) und Amerikaner (National Geographic) steuerten Geld bei, teilweise auch Ideen. Und weil die Verantwortlichen in Sachen Globalisierung auf der Höhe sind, wählten sie als Drehort Rumänien aus.

„Wettlauf zum Mond“ firmiert zwar als Doku, besteht aber im Wesentlichen aus einer Spielhandlung mit Off-Text. Der Anteil dokumentarischen Materials ist gering. Aus Spielszenen, am Computer generierten und dokumentarischen Bilder entsteht hier eine kunstvolle Komposition, deren Bestandteile der Zuschauer zuweilen nicht auseinander zu halten vermag. Da hilft auch die auf dem ersten Blick kuriose Texttafel nach dem Vorspann wenig: „Diese Dokumentation beruht auf realen Ereignissen und Personen.“

Die Frage, ob es nicht problematisch ist, wenn das Publikum zwischen authentischem Material und Spielszenen, in denen die historische Forschung gewissenhaft interpretiert wird, kaum unterscheiden kann, hält NDR-Kulturchef Thomas Schreiber nicht mehr für allzu relevant: „Das ist eine Diskussion der frühen 90er-Jahre. Hätten wir einen Film gemacht mit Rentnern der Raketenforschung, die heute noch leben, wäre das Zuschauerinteresse überschaubar gewesen.Wir machen Filme für ein Mehrheitenprogramm, die stehen im Wettbewerb mit dem, was die Leute im Kino erleben.“

Wenn heute und an den folgenden drei Montagen mehr als eine Minderheit einschaltet, köpfen die Reformweltmeister in der ARD möglicherweise ein paar Buddeln Prosecco; Die Quote von „Wettlauf zum Mond“ wird ein Indiz dafür sein, wie gut „der neue Abend“ im Ersten funktioniert. Seit Beginn des Jahres kommen nämlich nicht nur die „Tagesthemen“ früher und die Politikmagazine in gestutzter Form, sondern auch die Dokumentationen am Montag schon um 21.00 statt um 21.45 Uhr. Dass die Öffentlichkeit Letzteres bisher kaum wahrgenommen hat, liegt laut NDR-Mann Schreiber an der partiellen Blindheit einiger Medienjournalisten: „Man sieht nur, was man sehen will.“

Nächste Folgen am 23. 1., 30. 1. und 6. 2., jeweils um 21.00 Uhr