ENDLICH: MERKEL WIRD IN MOSKAU SCHRÖDERS KUSCHELKURS BEENDEN
: Es darf Tacheles geredet werden

Dass mit dem Abgang von Gerhard Schröder auch die deutsch-russische badehauslaunige Männerfreundschaft beendet sein würde, stand außer Zweifel. Doch die Agenda von Angela Merkel für ihren Antrittsbesuch in Moskau überrascht denn doch: So will die Kanzlerin Vertreter der per Gesetz geknebelten Nichtregierungsorganisationen und Journalisten treffen. Auch der – vergessene – Krieg in Tschetschenien soll aufs Tapet kommen. Genauso wie die Lage in Weißrussland und der Ukraine. Den Kremlherrscher nicht als lupenreinen Demokraten adeln, dafür aber dessen Sündenregister zu einem Thema machen, lautet offenbar die Devise.

Zugegeben: Nach der kompetenten (Nicht-)Vorarbeit, die Schröder – nicht zuletzt im ureigensten Interesse – auf diesem Feld geleistet hat, ist das kein einfaches Unterfangen. Denn egal für wie wichtig Russlands Präsident die deutsch-russische strategische Partnerschaft auch halten mag: Bei Menschenrechtsfragen und der Thematisierung russischer geopolitischer Interessen hört die Freundschaft auf. Gerade in Bezug auf die Ukraine ist das dieser Tage wieder zu besichtigen. Nach dem Ende des Gasstreits versucht Moskau Kiew nun in Sachen Schwarzmeerflotte zu zeigen, wo der Hammer (und die Sichel) hängt.

So darf man gespannt sein, ob Merkel diesen Spagat wird leisten können: einerseits Demokratie sowie Menschenrechte anzumahnen und damit den letzten Resten der russischen Zivilgesellschaft nach mehrjähriger deutscher Ignoranz den Rücken zu stärken; andererseits Putin bei der Stange zu halten – nicht zuletzt mit Rücksicht auf deutsche und europäische Wirtschaftsinteressen – sowie die Notwendigkeit, Russland nicht wieder zu isolieren.

Sollte Merkel in Moskau Tacheles reden, wäre das eine wohltuende Abgrenzung vom unsäglichen Anbiederungskurs ihres Vorgängers. Ob sich damit jedoch wirklich schon eine Neujustierung der deutschen Russlandpolitik ankündigt, wird sich erst noch zeigen. Bis dahin gilt: Schön, dass wir mal darüber gesprochen haben. Doch auch das ist schon mal besser als nichts. BARBARA OERTEL