Regierung abgesetzt

Parlament in der Mongolei entlässt Kabinett nach Koalitionsbruch. Exkommunisten wollen allein regieren

PEKING taz ■ Die politische Krise in der Mongolei hält an: Am vergangenen Freitagabend setzte das Parlament die Koalitionsregierung des Premierministers und Chefs der Demokratischen Partei, Tsakhia Elbegdorj, ab. Zuvor hatten 10 von 18 Kabinettsministern, die alle der exkommunistischen „Revolutionären Volkspartei der Mongolei“ (MRVP) angehören, die Regierung verlassen. Sie hatten ihren Schritt mit „Schwierigkeiten mit der bestehenden Koalition“ begründet, wie eine Regierungssprecherin erklärte. Beobachter werten den Sammelrücktritt jedoch als Versuch der Exkommunisten, eine neue Regierung ohne die anderen Gruppen zu bilden. Beide Lager hatten seit den Wahlen 2004 versucht, das Land zusammen zu regieren.

Die Chancen der Exkommunisten auf eine Alleinregierung stehen nicht schlecht: Die MRVP, die auch den Präsidenten Nambarum Enkhbayar stellt, hält mit 38 Sitzen die Hälfte der 76 Mandate. Sie hofft nun auf Überläufer aus anderen Gruppierungen, um – wie zuletzt zwischen 2000 und 2004 – eine eigene Regierung bilden zu können.

Viele liberale Mongolen, vor allem in der Millionenstadt Ulan Bator, erinnern sich ungern an diese Zeit: „Die Exkommunisten versuchten, die Presse- und Meinungsfreiheit wieder einzuschränken und die Opposition zu unterdrücken“, sagt der mongolische Soziologe Batmunkh. „Für demokratische Reformen hatten sie nicht viel übrig.“

In eisiger Kälte demonstrieren Gegner und Anhänger der verschiedenen Parteien seit einigen Tagen im Zentrum der mongolischen Hauptstadt. Mitglieder von Bürgerorganisationen mit Namen wie „Totale Reformen“ oder „Für eine gesunde Gesellschaft“ hatten am Donnerstag aus Zorn über die Entscheidung der Minister die Zentrale der Exkommunisten gestürmt. Dabei veröffentlichten sie eine Liste mit MRVP-Politikern, die sie der Korruption beschuldigten.

Unter den rund 1,5 Millionen Nomaden und Landbewohnern der Republik, die fünfmal so groß wie Deutschland ist, haben die Exkommunisten einen besseren Ruf: Denn die Freude über neue Freiheiten ist getrübt durch neue Probleme. Nicht wenige Mongolen trauern den Zeiten vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion nach, als Moskau Schulen und Kliniken großzügig unterstützte. Die Mongolei diente den Sowjets als Pufferstaat an der Grenze zu China.

Obwohl die Wirtschaft wächst, ringen viele Mongolen heute mit dem Übergang zum Kapitalismus. Ehemals gemeinschaftlicher Bodenbesitz wurde privatisiert. In mehreren katastrophalen Wintern starben vielen Nomaden die Herden weg. Staatsbetriebe, die früher Wolle und andere Produkte in den Ostblock lieferten, gingen bankrott – Arbeitsplätze verschwanden. Wertvoller Kaschmir wird immer öfter nicht mehr in der Mongolei, sondern in China verarbeitet.

Eine kleine Schicht von Wendegewinnern aus allen Parteien ist mit Landverkäufen, Lizenzvergaben und Beteiligungen an Kupfer- und Goldminen reich geworden, während das Leben der meisten Mongolen immer mühsamer wird. JUTTA LIETSCH