Menschenwürde nicht mal 200 Euro wert

Das Bundesverfassungsgericht lehnt Schmerzensgeld für Exhäftling ab – zu kurz saß er in unwürdiger Zelle

FREIBURG taz ■ Nicht für jede staatliche Verletzung der Menschenwürde gibt es Schadensersatz. Dies entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht in einem der taz vorliegenden Beschluss. Wer nur kurze Zeit in unwürdigen Haftbedingungen verbringen muss, kann vom Staat kein Schmerzensgeld verlangen.

Geklagt hatte der Exhäftling Andreas H. Er musste im Juli 2002 auf dem Transport in eine andere Haftanstalt zwei Tage lang eine 16 Quadratmeter große Zelle des Hannoveraner Gefängnisses mit vier anderen Häftlingen teilen. H. beschwerte sich anschließend und bekam Recht. Die Unterbringung habe seine Menschenwürde verletzt, erklärte das Hannoveraner Strafvollstreckungsgericht, vor allem weil die Zellentoilette nur mit einem Sichtschutz abgetrennt war. Wenn einer der Zelleninsassen auf der Toilette saß, hörten und rochen die anderen alles.

200 Euro Schmerzensgeld sprach ihm das Landgericht Hannover zu. Allerdings hob die nächste Instanz, das Oberlandesgericht Celle, das Urteil auf; ebenso der Bundesgerichtshof im November 2004. Eine nur kurzfristige Verletzung der Menschenwürde löse keinen Anspruch auf Schmerzensgeld aus.

Das aber wollte H. nicht akzeptieren und beauftragte seinen Hannoveraner Anwalt Axel Feller mit einer Verfassungsbeschwerde. „Es muss doch eine Sanktion geben, wenn der Staat die Menschenwürde verletzt“, argumentierte Feller. Doch das Bundesverfassungsgericht lehnte die Klage nun ab. Im konkreten Fall habe der Häftling bereits „zureichende Genugtuung“ durch die bisherigen Gerichtsurteile erhalten. Immerhin sei dort festgestellt worden, dass die Unterbringung in der überfüllten Zelle seine Menschenwürde verletzt hat und deshalb rechtswidrig war.

Feller wird den Fall nun wahrscheinlich zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Straßburg tragen. „Es geht hier zwar um eine kleine Summe, aber auch um einen hohen Wert, die Menschenwürde“, so der Anwalt.

Wer längerfristig in einer überfüllten Zelle ohne abgetrennten Toilettenbereich untergebracht wird, kann zwar unstreitig mit Schadensersatz rechnen. Allerdings hat der Gefangene nur dann einen Geldanspruch, wenn er zuvor gegen die Art der Unterbringung protestiert hat. Und wenn ein Häftling protestiert, dann hat die JVA einige Tage Zeit, die Unterbringung anders zu organisieren – ohne dabei Schadensersatz zu riskieren (Az. 1 BvR 1359/05).

CHRISTIAN RATH