Neue Akzente der Kanzlerin in Moskau

Menschenrechte oder Tschetschenienkrieg sollen im deutsch-russischen Verhältnis nicht ausgeblendet bleiben

Angela Merkel hatte bewusstden Ausbau einer strategischenPartnerschaft hervorgehoben

MOSKAU taz ■ Für das zweistündige Treffen und Essen mit Präsident Wladimir Putin heute in Moskau soll sich Angela Merkel eine engagierte und offensive Themenliste zurechtgelegt haben. Die Bundesregierung will in der Russlandpolitik neue Akzente setzen.

Der Tschetschenienkrieg wurde von der Vorgängerregierung so gut wie ausgeblendet. Dies könnte sich ändern. Merkel will die prekäre Situation der Menschenrechte in Tschetschenien genauso ansprechen wie den letzten Angriff des Kreml auf die Fundamente der russischen Zivilgesellschaft. Ein neues Gesetz sieht vor, die Arbeit der NGOs stärker zu kontollieren und die Kooperation mit ausländischen Partnerorganisationen zu erschweren. Nach der Unterredung mit Kremlchef Putin trifft die Kanzlerin mit Vertretern von Menschenrechtsgruppen, Politikern verschiedener Parteien und Journalisten zusammen. Unter ihnen sind auch die Vorsitzenden von „Memorial“ und der „Moskauer Helsinki-Gruppe“. „Memorial“ gehört zu den schärfsten Kritikern des Tschetschenienkriegs und befasst sich allen restaurativen Tendenzen zum Trotz mit der Aufarbeitung des Stalinismus.

Außenpolitisch will Merkel auf die anstehenden Wahlen in Weißrussland eingehen. Dort lässt sich der international gemiedene Präsident Alexander Lukoschenko wiederwählen. Die für März angesetzten ersten Parlamentswahlen nach der „orangen Revolution“ in der Ukraine, die Moskau zu torpedieren versucht hatte, stehen ebenso wie der Atomstreit mit Iran auf der Liste der in Moskau unpopulären Themen. Gegenüber Teheran schlug Russland nach dessen demonstrativer Wiederaufnahme des Atomprogramms erstmals einen härteren Ton an. Der Besuch solle die „Kontinuität bei der Entwicklung einer strategischen Partnerschaft zwischen Russland und Deutschland zeigen“, verlautete aus Kremlkreisen. In aktuellen Fragen der internationalen Politik lägen die Einschätzungen beider Länder eng beieinander. Merkel hatte gegenüber dem Spiegel bewusst den Ausbau einer strategischen Partnerschaft hervorgehoben und sich damit von der Freundschaft, die das Verhältnis Schröders und Putins bestimmte, abgegrenzt. Dies wurde in Moskau genauestens registriert.KLAUS-HELGE DONATH