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Ausgewählte Antworten eines Lesers auf den Fragenkatalog

Manche Leute machen die Juden für alles Böse in der Welt verantwortlich und behaupten sogar, sie steckten hinter den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York? Was halten Sie von solchen Behauptungen?

Das pauschale Misstrauen, mit dem seit diesem Anschlag allen Muslimen begegnet wird, und die Kriege in Afghanistan und Irak werden von vielen Menschen als demütigend empfunden. Dass dann aus diesen Kreisen manche unsachlich werden, zählt zu den minderschweren Konsequenzen dieser Politik. Die Deutschen sollten dankbar sein, trotz des massenhaft im Namen Deutschlands angerichteten Leids und Terrors in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, nicht pauschal dafür verantwortlich gemacht zu werden.

Ihre Tochter bewirbt sich um eine Stelle in Deutschland. Sie bekommt jedoch ein ablehnendes Schreiben. Später erfahren Sie, dass eine Schwarzafrikanerin aus Somalia die Stelle bekommen hat. Wie verhalten Sie sich?

Ich erinnere mich an das missglückte militärische Abenteuer der USA und frage meine Tochter zur Versicherung noch mal, wo Somalia liegt. Darauf bekomme ich eine geografisch korrekte Antwort. Dann frage ich bei der Landesregierung von BaWü nach und bin verwirrt. Ist Somalia nun ein Staat oder nicht? Woher kommt denn nun die junge Frau, die meine Tochter bei der Bewerbung ausgestochen hat? Mit was für Papieren lebt sie in Deutschland? Etwa mit einem somalischen Reisepass? Um sie kennen zu lernen, möchte ich sie gerne zum Tee einladen. Aber aus Gründen des Datenschutzes verweigern mir die Behörden und der Arbeitgeber die Auskunft über ihre Adresse.

Stellen Sie sich vor, Ihr volljähriger Sohn kommt zu Ihnen und erklärt, er sei homosexuell und möchte gerne mit einem anderen Mann zusammenleben. Wie reagieren Sie?

Ohne es meinen Sohn anmerken zu lassen, verteile ich in Gedanken mein Erbe neu. Natürlich wird er seinen Teil abbekommen. Aber ich werde von ihm keine Enkel haben, also muss ich neu rechnen. Im nächsten Moment denke ich an meinen bereits eingebürgerten Schwager Kemal, der mit seinem iranischen Lebenspartner Ahmed in Nürnberg lebt. Beide unterhalten dort ein Piercing- und Tattoo-Studio, für das sie letztes Jahr auf dem Christopher Street Day in Altötting werben wollten. Die beiden hatten viel Geld in die Vorbereitung dieses Auftritts gesteckt. Leider umsonst, denn der CSD musste in Altötting aufgrund des lokalen konservativ-christlichen Widerstandes gegen dieses „die abendländische Werteordnung missachtende“ Fest abgesagt werden. Ich warne daher meinen Sohn, mit seiner Homosexualität nicht allzu offen umzugehen, denn schließlich leben wir in BaWü in einem ähnlich konservativen Bundesland.

In Deutschland haben sich verschiedene Politiker öffentlich als Homosexuelle bekannt. Was halten Sie davon, dass in Deutschland Homosexuelle öffentliche Ämter bekleiden?

Das ist gut so! Aber verschiedene Politiker? Der einzige mir bekannte Politiker, der sich offen zur Homosexualität bekannte, ist der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Wowereit. Es ist eigentlich schade, dass sich trotz des libertären Klimas und der demokratischen Verfasstheit Deutschlands andere Personen wie der Regierende Bürgermeister von Hamburg, der Bundesvorsitzende der Freien Demokratischen Partei (F.D.P.) und die aus Baden-Württemberg stammende neue Bildungsministerin nicht zu ihrer Homosexualität bekennen. Ich vermute, dass sich gerade Mitglieder der christlichen Parteien mit dem offenen Bekenntnis zur Homosexualität schwer tun. Interessant, dass sie Anhängern anderer Religionen so viel Toleranz abverlangen.

MUSTAFA NEMENSI, Schwäbisch Hall