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: Schwarzer Peter

Im Tauziehen um ProSiebenSat.1schieben sich Springer und das Kartellamt jetzt gegenseitig die Schuld zu

Normalerweise kommt Familie Saban gern nach Berlin. Zum Shoppen beispielsweise. Und um sich in der deutschen Kultur umzusehen. Die jüngste Reise dürfte dem US-Medienunternehmer allerdings nicht ganz so schmecken: Der so schön in Sack und Tüten geglaubte Verkauf der ProSiebenSat.1-Familie an die Axel Springer AG ist mausetot. Oder zumindest so gut wie.

Zum Auftakt der seit gestern laufenden Verhandlungen hat ihn Springer-Chef Mathias Döpfner aber vielleicht erst mal behutsam weiter in die deutsche Kultur eingeführt und ihm das Spiel „Schwarzer Peter“ erklärt. Das spielt der Konzern nämlich seit Montag mit Verve gegen das Bundeskartellamt. Weil die Behörde die Springer-Bitte um Fristverlängerung um eine Woche nicht erhört habe, sei der Konzern gezwungen gewesen, sein Angebot, ProSieben zu verkaufen, wieder zurückzuziehen. Sagt Springer. Damit sei die endgültige Ablehnung des Deals aber klar. Weil jetzt plötzlich das Kartellamt mehr Zeit brauchte, diese Ablehnung endgültig zu Papier zu bringen, habe das Amt seinerseits Springer um eine Woche Fristverlängerung gebeten.

Und weil man im Grunde eben doch der nette Konzern von nebenan sei, habe man dem natürlich zugestimmt. Heißt es wie gesagt bei der Axel Springer AG. – „Die Fristverlängerung erfolgte auf Antrag von Springer“, sagte gestern dagegen Kartellamts-Präsident Ulf Böge der taz: „Hätte der Konzern mehr Zeit für Verhandlungen über den Verkauf von ProSieben benötigt, hätte ihm eine Entscheidung des Amtes hinreichend Zeit geboten.“

Und wer hat ihn nun, den schwarzen Peter? Erstaunlicherweise gibt es in dieser Variante des Spiels auch einen sonst nicht vorgesehenen Joker. Der heißt – noch erstaunlicherweise – Fritz Pleitgen. Der WDR-Intendant plädierte gestern in Sachen ProSiebenSat.1-Übernahme für eine „faire Chance“ für Springer. Zwar könne Medienkonzentration ein Problem für die Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft werden: „Aber ich sehe nicht das Abendland durch den Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner bedroht.“

Das geht runter wie Öl. Überhaupt orientiert sich Springer am ungebrochenen Optimismus seines Vorstandschefs und nimmt neue große Projekte in Angriff: Sollte dem Konzern die TV-Zukunft verwehrt bleiben, werde man sein Glück im Digitalen suchen, hatte Döpfner beim unternehmenseigenen Neujahrsempfang vor einer Woche angekündigt. Und prompt testet der Konzern dieser Tage mal wieder den Betrieb seiner riesengroßen LED-Leuchtzeitung auf dem Berliner Springer-Hochhaus.

STEFFEN GRIMBERG