Jörg Sundermeier sichtet die soziale Bewegung in der Stadt

Morgen spricht Dirk Moldt im Versammlungsraum des Mehringhofs über „Selbstbestimmte Arbeitsbiographien in der DDR. Man fragt sich beim Lesen der Veranstaltungsankündigung: Gab es in dem großen Bürokratiestaat denn wirklich Leute, die sich der staatlichen und sozialen Kontrolle entziehen konnten? Schließlich waren sie ja als „Asoziale“ stets bedroht, in der Gesellschaft keinesfalls beliebt und ihre Ernährungsmöglichkeiten waren eher dürftig. Frei zu vergebende Jobs gab es ja eben nicht in Hülle und Fülle. Moldt hat in diesen Tagen eine Studie vorgelegt, in der ostdeutsche Lebensgeschichten von 1950 bis 1980 untersucht werden – die Ergebnisse stellt er nun vor. Am Donnerstag wird in der Zwille über die „Notwendigkeit einer Insel“ geredet, doch nicht Houellebecq ist Thema, sondern ein „Institut für Selbstbestimmtes Lernen“ – abgekürzt „Insel“. Der Staat nämlich soll aus der Pflicht genommen werden, gelernt wird viel lieber, wie’s passt, so ist die Hoffnung der Vortragenden. Doch geht das Konzept auf? Oder geht’s eben nicht? Am Freitag lädt die Kreuzberger Filiale der ganz Berlin im Zwingegriff habenden Buchhandelskette Schwarze Risse in ihre Räume. Dortselbst sprechen Sebastian Gerhardt und Thomas Kuczynski über „Arbeitskraft“ und „Freiheit“ bei Marx. Schön schwierig wird’s und lohnend ist es allemal, da Kuczynski ja sogar im ExpertInnenteam der MEGA ist. Wer allerdings lieber uneingeschränkt blöd bleiben möchte, geht zum gemeinsamen Videoschauen in eines der linken Unterhaltungsstübchen. Für den Samstag dann an dieser Stelle kein Ausgeh-, wohl aber ein Hinhör-Tipp: Im Herbstradio 99,1 MHz wird ab 14 Uhr live aus Dresden berichtet, wo es ja verboten sein soll, Nazis am Demonstrieren und Marschieren zu hindern. Wer nicht da ist, kann also doch wenigstens mit den Ohren dabei sein!

■ Arbeitsbiographien: Mehringhof, Gneisenaustr. 2a, Di., 19.30 Uhr

■ Notwendigkeit einer Insel: Zwille, Fasanenstr. 1, Do., 17 Uhr

■ Marx: Schwarze Risse, Gneisenaustr. 2a, Fr., 19.30 Uhr

■ Herbstradio 99,1 MHz, Sa., 14 Uhr