„Nicht auf die Bild-Zeitung warten“

Die neue Vorsitzende der NRW-Medienkommission will mehr Einfluss auf das Programm der Sender ausüben

taz: Frau Gerlach, über welche Sendung haben Sie sich während der Mitgliedschaft in der Medienkommission besonders geärgert?

Frauke Gerlach: Für mich geht es nicht um das persönliche Ärgernis, sondern um die gesellschaftliche Debatte über die Frage, was erlaubt ist und was nicht. Da fällt mir ein Beispiel ein, das in der Medienkommission seinerzeit für heftige Aufregung gesorgt hat: In einer Folge der MTV- Sendung „Jack Ass“ gab es eine Sequenz, in der ein junger Männer einem anderen mit einem heißen Eisen einen Judenstern in die Wade brannte. Die Szene war so angelegt, dass mit dem Opfer kein Mitleid möglich war, weil es sich in gewisser Weise mit dem Täter solidarisierte. Es gab keinen historischen oder sonstigen Kontext.

MTV ist ja nicht bei der nordrhein-westfälischen LfM angesiedelt. Tauschen Sie sich mit den anderen Aufsichtsanstalten über solche Fälle aus?

Ja, sicher. Auch in den Konferenzen der Gremienvorsitzenden wird darüber diskutiert. Und natürlich war die Kommission Jugendmedienschutz beteiligt. „Jack Ass“ ist dann übrigens durch die Entscheidung der Medienaufsicht auf eine späte Sendezeit – nach Mitternacht – verlegt worden.

Sie werden am 20. Januar als neue Vorsitzende der LfM Medienkommission vorgestellt. Welche neuen Akzente wollen Sie setzen?

Ich möchte vor allem die Verantwortlichen zusammenbringen – aus der Kommission, aus den TV- und Radiosendern, aus Kultur und Wissenschaft. Nur wenn wir in ständigem und gutem Kontakt zu den Programmmachern stehen, können wir Fehlentwicklungen verhindern. Die Kommission kann ja im äußersten Fall Verbote aussprechen, aber das ist noch nie geschehen. In einer Demokratie ist es geboten, den Dialog mit den Programmmachern anzustoßen und als Kontrollgremium klar zu machen, welche Entwicklungen wir nicht gut heißen.

Der Dialog mit den Programmmachern soll also präventiv wirken?

Ja, wir wissen ja ungefähr, was in ein, zwei Jahren auf dem Markt sein wird. Wir dürfen nicht warten, bis die öffentliche Debatte über eine bestimmte Sendung mit der Schlagzeile in der Bild-Zeitung beginnt. Dann ist es zu spät. Wenn wir dann mit der Aufsicht kommen, bekommt die betreffende Sendung auch noch einen ungewollten Werbeeffekt. Wir dürfen zwar den Veranstaltern nicht vorschreiben, was sie zu senden haben. Für mich ist aber ein wesentliches Anliegen, dass neben dem Blick auf die Quote auch andere Kriterien für die Auswahl von Sendungen gelten würden.

Bei den Privaten? Machen Sie Witze?

Nein, ich bin ja nicht naiv und weiß, dass die Quote bei den Privaten bestimmend ist. Aber die Frage ist doch: Was spiegelt die Quote wider? Dass jemand den Fernsehapparat anmacht. Mehr erstmal nicht.

Wollen Sie für ihre Dialogoffensive neue Gremien schaffen?

Nein, natürlich nicht! Neue Institutionen sehe ich deutlich kritisch. Die Medienkommission hat mit 25 Mitgliedern eine ideale Größe dafür, den Dialog – etwa mit Veranstaltern – unmittelbar zu führen.

INTERVIEW: S. SEDLMAYR