Schwarzfahren lohnt sich wieder

Die Preise für den Nahverkehr drohen in diesem Jahr ein weiteres Mal zu steigen. Verkehrsverbünde: Gekürzte Bundeszuschüsse und höhere Energiepreise für die massiven Erhöhungen verantwortlich

VON ANDREAS WYPUTTA

Nordrhein-Westfalens Verkehrsverbünde warnen vor deutlichen Preiserhöhungen. Angesichts geplanter Kürzungen öffentlicher Zuschüsse und steigender Energiekosten seien die derzeit üblichen Preissteigerungen von jährlich rund drei Prozent nicht ausreichend, so der Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR), Klaus Vorgang, gestern in Gelsenkirchen. Selbst eine weitere Preiserhöhung noch in diesem Jahr sei nicht ausgeschlossen. Der VRR als nach eigenen Angaben „größter Verkehrsverbund Europas“ hatte seine Preise erst zum Jahreswechsel um 3,4 Prozent erhöht.

Hintergrund ist die drohende Kürzung der so genannten Regionalisierungsmittel des Bundes, mit denen die öffentliche Hand den Nahverkehr subventioniert. Die große Koalition im Bund will im Zuge der Haushaltskonsolidierung allein bei diesem Etatposten in den Jahren 2008 und 2009 insgesamt 3,2 Milliarden Euro einsparen. Der VRR rechnet deshalb mit einer Finanzierungslücke von etwa 150 Millionen Euro. Derzeit stellt der Bund jährlich rund 7,5 Milliarden Euro an Regionalisierungsmitteln bereit. Nach Nordrhein-Westfalen fließen davon etwa 1,1 Milliarden Euro.

Mit Preiserhöhungen allein aber wären die Mittelkürzungen nicht auszugleichen, warnt der VRR bereits. Es drohe die Streichung nicht nur einzelner Züge, sondern die Streichung ganzer Verbindungen: „Sollte dieses Szenario Wirklichkeit werden, würde fast jeder sechste Zugkilometer den Kürzungen zum Opfer fallen“, beschreibt VRR-Vorstand Martin Husmann das Krisenszenario. „In diesem Fall wäre die Mobilität für viele Menschen nicht mehr gesichert. Denn die Bewältigung der Verkehrsströme ist in unserer bevölkerungsdichten Region ohne einen leistungsfähigen Nahverkehr auf der Schiene nicht möglich.“

Schon im laufenden Jahr fehlten allein den kommunalen Verkehrsunternehmen im VRR mindestens 7,5 Millionen Euro, klagt dessen Geschäftsführer Vorgang. Grund seien pauschale Kürzungen aus dem so genannten Koch-Steinbrück Papier. Darüber hinaus habe NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) Einsparungen auch bei den Schülerbussen durchgesetzt. Wie bereits Ende November warb Vorgang noch einmal für „einfachere, schlankere und effizientere Strukturen“ im Nahverkehr. Beobachter deuten dies als Signal zur Übernahme kleinerer Verbünde wie etwa dem Nahverkehrs-Zweckverband Niederrhein (NVN).

Kritik kommt auch vom Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS): „Wir lehnen die drohenden Kürzungen vehement ab“, so Sprecherin Ute Reuschenberg. Gefordert sei jetzt vor allem Landesverkehrsminister Wittke – noch hoffen die Verbünde, Nordrhein-Westfalen könne zu Lasten anderer Länder doch noch mehr Geld vom Bund erhalten.

Auf die für 2007 angesetzten Verhandlungen setzt auch Wittke selbst. Noch sei nichts entschieden, so sein Sprecher Stephan Heuschen zur taz. Die angekündigten Kürzungen seien nicht zwingend: „Niemand sagt, dass die Regionalisierungsmittel in jedem Fall sinken werden.“ Die Kritik der Verkehrsverbünde sei zum derzeitigen Zeitpunkt überzogen, wiegelt Heuschen ab: „Das entbehrt jeder sachlichen Grundlage.“ Vielmehr betreibe gerade der VRR im Vorfeld der anstehenden Verhandlungen mit Bund und Land Lobbyismus: „Das die Verbünde erst einmal ‚das Haus brennt‘ rufen, ist doch klar.“