Wehmütige Sehnsucht nach Sex

Die Künstlerinnen Neda und Maria Ploskow saugen den Kopf leer: Mit hypnotischen Grooves und kreisenden Bildern rund um ein uraltes Thema. Die Ausstellung „Remarks on sex“ ist ein Sound-Graphik-Film-Spektakel in der Galerie am Park

Was hilft, wenn dich hier keiner kennt und du sie alle in deine Ausstellung locken willst? Richtig: Sex. Man kann jetzt philosophieren über die Pornographisierung der Kultur. Man kann auch einfach die Kuratorin Susanne Hinrichs fragen, wie das Thema der Ausstellung „Remarks on sex“ zu Stande gekommen ist.

Mit freundlichem Understatement erklärt sie dann, dass die Künstlerinnen Maria und Neda Ploskow nach einem Thema gesucht haben, das einfach alle umtreibt. Entstanden ist ein Sound-Graphik-Film-Spektakel, das die Sinne kreiseln lässt. Wie fast immer in der Galerie im Park wurden auch diesmal die Installationen speziell für die Ausstellungsräume auf dem Gelände des Klinikums Ost entwickelt. „Das ist kein neutraler Ort“, sagt Susanne Hinrichs. Der Atmosphäre aus Parkidylle und Wahnsinn, Krankheit und Euthanasie-Vergangenheit könne sich niemand entziehen.

Eine Ebene unterhalb des nüchternen Bewusstseins sprechen auch die Installationen von Maria und Neda Ploskow an. Groovig-pulsierend die titelgebenden „Remarks on sex“, hypnotisch-meditativ das „Mandala“. „Wo sind denn hier die phallischen Formen, die eindeutigen Anspielungen?“, fragt sich der erwartungsvolle Betrachter der „Remarks“, setzt im Kopf die Rotlicht-Brille auf und sieht vielleicht Organe, Zellen oder Aids-Viren tanzen.

Maria Ploskow zeichnet mit der Computer-Mouse, was manchen Formen den Charme von vorbewussten Kritzeleien gibt. Andere erinnern an die Urzeit der Computergraphik, als sich PacMan und Space Invaders aus Riesenpixeln wie Legosteinen zusammensetzten.

So entstehen steife Körper, Umrisse wie Stacheldraht. Maria Ploskow schneidet sie aus und setzt sie wie in einem Zeichentrickfilm in Bewegung.

Papiertheaterfiguren ähnlich, drehen sich Körper zueinander und voneinander weg. Dreh- und Angelpunkt der Bewegung ist selten zwischen den Beinen, sondern mal an der Brust, mal am Knie. Man könnte an die realitätsferne Akrobatik von Kamasutra-Illustrationen denken, die hier mit ernüchternder Ironie auf die Spitze getrieben wird.

Neda Ploskow, ausgebildete Bildhauerin und Cyber-DJane, unterlegt das mit einem basslastigen, partytauglichen Soundteppich. Wortfetzen, die im Bass-Brei dümpeln und manchmal wie Eisberg-Spitzen auftauchen, offenbaren eine ähnliche Skepsis gegenüber dem Geschlechtlichen. „Sex ist wehmütige Sehnsucht nach Sex“, wird etwa Altmeister Warhol zitiert. „Die Themen der Kunst sind immer die gleichen: Lüge, Liebe, Sex, Tod“, sagt Susanne Hinrichs. Den Künstlern bleibt, neue Wege der Vermittlung zu finden.

Seit den 90-er Jahren beobachtet die Kuratorin, dass der Trend zum Bild-Sound-Crossover immer entschiedener verfolgt wird. Neda Ploskows psychedelisch wabernde Sphärenklänge zu „Mandala“ sind weniger tanzbar. Sie verstärken die soghafte Wirkung der endlos kreisenden Bilder.

Die Gedanken werden aufgesaugt, im Kopf wächst die Leere. Knutschende Paare, Faustkeil-Killer und Yogis in Röntgenaufnahme hat Maria Ploskow zu einem kryptischen Reigen angeordnet. Fromme Buddhisten versenken sich mit Mandalas in Meditation. Hier spürt man wieder die Nähe zur Psychiatrie, zur Hypnose, zu ausgeklügelten Methoden, das Bewusstsein durcheinander zu schütteln.

Annedore Beelte

„Remarks on sex“ bis zum 15.3. in der Galerie am Park. Öffnungszeiten: Mi bis So, 15 bis 18 Uhr