Dreckluft macht Stadtplanung zunichte

Jahrelang diskutierten Anwohner und Planer, wie zwischen Rembertikreisel und Schleifmühle wieder ein Stadtviertel entstehen könnte. Jetzt droht dem Projekt das Aus – weil der Dreck der Autos Platz braucht, um abzuziehen. Bürger fühlen sich „verarscht“

Bremen taz ■ Das Vorhaben war ehrgeizig, Behörden, Beiräte und BürgerInnen beschäftigte es jahrelang: zwischen Dobbenweg und Hochstraße, dort, wo Bagger in den 60ern Hunderte von Wohnungen dem Erdboden gleichmachten, um Platz für Bremens „Ost-Tangente“ und den „Verteilerkreisel“ Rembertiring zu schaffen, sollte wieder ein Stadtviertel entstehen. Von „Stadtreparatur“ war die Rede, und davon, dass wieder Wohnen, Handel und Gewerbe einziehen könnten, wo heute nur Verkehrsflächen und Brachen das Stadtbild prägen. Doch der Verkehr, dem die Brachial-Strategen der 60er-Jahre hier Bahn brachen, verteidigt sein Terrain. Die Abgase aus den Autos, für etwa zwei Drittel der Stickoxide und ein Drittel des Feinstaubs an dieser Stelle verantwortlich, sorgen dafür, dass die Luftbelastung schon heute über oder bedenklich nahe an den Grenzwerten liegt. Jede weitere Bebauung, warnen die Immissionsschützer in der Umweltbehörde, verschärft das Problem: Die Schadstoffe könnten weniger gut abziehen, sie hätten weniger Platz zum Verdünnen – und lägen folglich erst recht über den Grenzwerten.

Dass die verschärften Anforderungen der EU an Luftreinhaltung und Lärmschutz und das für besonders belastete Standorte damit einhergehende Verschlechterungsverbot für Probleme sorgen könnte, ist seit längerem bekannt. Gewissheit erlangte die Behörde aber, als sie im Zuge eines Screenings für den Luftreinhalteplan die Belastung konkret unter die Lupe nahm. „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass nach jetzigem Stand eine bauliche Veränderung zu einer Verschlechterung der Luftqualität führen würde“, fasst Holger Bruns, Sprecher des Bauressorts, das Resultat dieser Untersuchung zusammen. Weswegen sich nun die Frage stelle: „Kann man überhaupt etwas machen?“

Bausenator Jens Eckhoff (CDU) will in den nächsten Wochen über das weitere Vorgehen entscheiden. Über das Ergebnis macht sich kaum noch jemand Illusionen. „Da wird auch künftig erstmal gar nichts mehr passieren“, mutmaßt die Sprecherin des Beirats Mitte/Östliche Vorstadt, Monika Heuß (Grüne). „Man muss überlegen, ob man unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch in das Problem einsteigt“, drückt es die baupolitische Sprecherin der SPD, Uta Kummer aus.

Um die Luft ausreichend zu entlasten, müsste nämlich vor allem der Autoverkehr zwischen Hochstraße und Concordia-Tunnel deutlich abnehmen – um etwa ein Drittel oder 15.000 Fahrzeuge pro Tag, schätzen Experten. Eckhoffs bisherige Weichenstellung dagegen ist eine andere: Erst vor wenigen Tagen legte der Senator den Planfeststellungsbeschluss zum weiteren Ausbau der Schwachhauser Heerstraße und zur Aufweitung des Concordia-Tunnels vor. Und das, prognostiziert Heuß, werde nicht weniger, sondern eher mehr Fahrzeuge auf die „Stadtautobahn“ lotsen.

Ähnlich sieht es der Sprecher der Bürgerinitiative Rembertiring, Matthias Rotenhan. Mit der Entscheidung zur Aufweitung des Concordia-Tunnels habe die Behörde eine „Prämisse gegen ein wohnliches Viertel“ auf dem heutigen Remberti-Ring getroffen. „Alles, was im Gestaltungsbeirat damals beschlossen wurde, fällt damit hinten runter“, ärgert er sich. Die angebliche Mitsprache der BürgerInnen sei nur „vorgegaukelt“ gewesen, er fühle sich „verarscht. Wir haben schließlich damals relativ viel Energie investiert.“

Wandern die Bebauungs-Pläne in die Schublade, steht wegen der fehlenden Einnahmen aus den Grundstücksverkäufen auch der Straßenumbau an sich in den Sternen. Neben dem Rückbau des Rembertikreisels waren die Zusammenlegung von Ernst-Glässel- und Eduard-Gruno-Straße sowie der Umbau der Kreuzung Bismarckstraße/Dobbenweg/Schwachhauser Heerstraße geplant, die ungeliebte Schleifmühlenumfahrung sollte weitestgehend wegfallen.

Lufttechnisch, sagt Ortsamtsleiter Robert Bücking, wäre es zwar möglich, zumindest einen Teil der Bebauung zu realisieren, etwa auf der Südhälfte des Kreisels. Ob sich angesichts des derzeit eher schwachen Bremer Immobilienmarktes dafür jedoch derzeit Investoren finden ließen, wird von Experten ebenfalls bezweifelt. Armin Simon