heimkehr zu grimp von EUGEN EGNER
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Spät abends kehrte ich von einem forschungsbedingten einjährigen Auslandsaufenthalt heim. Ich hatte keine Bedenken gehabt, Grimp für so lange Zeit allein im Haus zu lassen. Wenn sie ihre Medikamente regelmäßig nahm, konnte sie auf ihre klaustrophile Art durchaus unauffällig leben.

Sie war außerstande, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, wusste sich aber sehr wohl zu beschäftigen. Bisher war sie stets diszipliniert ihren Interessen nachgegangen, von denen ich gar nicht genau wusste, worin sie bestanden. Grimp brauchte sich sonst um nichts zu kümmern, zweimal wöchentlich kam eine Haushaltshilfe.

Ich wunderte mich, dass alle Fenster dunkel waren und Grimp sich nicht blicken ließ, obwohl sie doch wusste, dass ich an diesem Abend zurückkehrte. Während ich mein Gepäck zum Haus trug, begann ich, mir Sorgen zu machen. Ich schloss die Haustür auf. Wie schwer sie sich öffnen ließ! Da musste etwas im Weg liegen – um Gottes Willen, Grimp! Nein, ein menschlicher Körper war es nicht. Was da weggeschoben wurde, raschelte wie Papier. Dann verklemmte sich die Tür.

Mit Müh und Not konnte ich mich durch den Spalt zwängen. Ich drückte den Schalter für die Flurbeleuchtung, doch es geschah nichts. Vielleicht war eine Sicherung defekt? „Grimp?“, rief ich. „Hallo, Grimp! Ich bin da!“ Keine Antwort. Meine Stimme schien seltsam widerzuhallen.

Im schwach hereinfallenden Licht der Straßenlaterne erblickte ich dann die Ursache für die Widerspenstigkeit der Haustür. Vor meinen Füßen lag ein Haufen Zeitungen und Briefe, ein dicker Umschlag war unter die Tür geraten und blockierte sie. Wie es aussah, hatte man seit meiner Abreise alles unbeachtet liegen gelassen. Als ich den Blick von dem rätselhaften Papierberg am Boden hob, fiel mir eine Veränderung der Diele auf. Wo waren die Möbel, die Bilder, der Läufer? Sogar die Lampe war fort, daher also gab es kein Licht. Hastig lief ich in den Wohnraum – auch dort gab es keine Einrichtungsgegenstände mehr. In den übrigen Zimmern war es das Gleiche. Das ganze Haus war vollkommen leer! Was war geschehen? Und wo war Grimp?

Mir kam in den Sinn, es sei ratsam, sich bei den Nachbarn zu erkundigen, ob sie etwas wussten. Ein ganzes Haus konnte nicht restlos leer geräumt werden, ohne dass es jemandem auffiel.

Bei Bertelsmanns, die im Haus nebenan wohnten, läutete ich Sturm, doch niemand öffnete. War hier etwa auch alles leer und verwaist? Nein, ich hörte die Stimmen mehrerer Leute, die sich offenbar hinter dem Haus aufhielten. Im Garten stand eine Gruppe Menschen um etwas herum. Einer hatte ein Beil in der Hand. Am Boden schien etwas Dunkles zu liegen. Man ließ mich nicht näher herankommen, Frau Bertelsmann fing mich ab. Nun vollends verunsichert, brachte ich stammelnd mein Anliegen vor. Frau Bertelsmann sagte weiter nichts dazu als: „Ja, glauben Sie vielleicht, das wäre die einzige Besonderheit, die sich hier ereignet hat?“ Sie öffnete den Mund und zeigte mir, dass Haare darin wuchsen. Etwa fünf bis sieben Millimeter lange schwarze Borsten sprossen aus Zahnfleisch und Schleimhäuten. Ich konnte nur staunen, wie sehr sich alles in diesem einen Jahr verändert hatte.