Kopf der Köpfer

Die Dokumentation „Zarquawi – Porträt eines Phantoms“ (23.45 Uhr, ARD) erzählt über die Anfänge des Terroristen aus Jordanien. Neues über den Menschen weiß sie allerdings nicht zu berichten

VON WOLFGANG GAST

Wer ist dieser Mann, der sich Abu Musab al-Sarkawi nennt? Wer ist dieses Phantom, das vor laufender Kamera eigenhändig Geiseln köpft, der zum Krieg gegen die schiitische Bevölkerungsmehrheit aufruft und der für ungezählte Anschläge auf die Besatzungstruppen im Irak verantwortlich ist?

Die ARD-Mitarbeiter Jörg Armbruster und Thomas Aders haben sich in Jordanien in der Heimat Sarkawis auf die Suche nach den Anfängen des Mannes gemacht, der mittlerweile in der öffentlichen Wahrnehmung dem Terrorchef Ussama Bin Laden den Rang als der gefährlichste Mann der Welt abgelaufen hat. Die Journalisten treffen auf Vertraute aus dem engsten Umkreis Sarkawis, Weggenossen, die mit ihm im Gefängnis waren. Sie finden Zeugen und Zeugnisse aus seiner Kindheit, die Sarkawi als „sehr, sehr unerbittlich“ beschreiben. Sie treffen Experten, die dem Jordanier attestieren, dass „der Islam seine tiefe Wurzellosigkeit befriedigt“.

Aber ist es tatsächlich ein tief sitzender Minderwertigkeitskomplex, wie es Jean-Charles Brisard vermutet, der als einer der besten Kenner des islamistischen Netzwerks al-Qaida gilt. Oder ist Sarkawi vielleicht nur Ahmad, der Verlierer? Antworten auf solche Fragen liefert das „Porträt eines Phantoms“ nicht. Dafür einiges Biografisches. Zum Beispiel, dass Ahmad Fazzil Nazzal al-Khaleileh, wie er in Wirklichkeit heißt, am 30. Oktober im jordanischen Sarka geboren wurde und 23 Jahre später, im Frühjahr 1989, nach Afghanistan zum Kämpfen ging, als die russische Besatzungsmacht schon ihren Rückzug angetreten hatte. Und dass Ahmad, der wegen Waffenbesitzes 1990 in Jordanien zu 15 Jahren Knast verurteilt wird, sich anschließend im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses Suwaka, 70 Kilometer südlich von Amman, für den radikalen Islam und hier besonders für die extreme salafistische Bewegung begeisterte.

Zunehmend steht der Name Sarkawi auch für grausame Propaganda im Internet. Nach Stationen in Afghanistan und Iran lässt sich Sarkawi im September 2002 im Irak nieder, seine „al-Qaida im Zweistromland“ systematisiert die Entführung westlicher Geiseln als neue Waffe, er richtet eine Medienabteilung ein, die barbarische Entführungs- und Anschlagsvideos im Internet als Teil der Kriegsführung gegen die westliche Besatzung des Irak nutzt. Selbstmordattentäter werden von der Idee bis zur Ausführung der Tat mit der Kamera begleitet.

Es sind archaische Filmschnipsel, die meist mit dem grellen Blitz einer Bombenexplosion enden. All das haben Armbruster und Aders in ihrem Beitrag akribisch dokumentiert. Der Person Sarkawi sind sie dabei allerdings nicht näher gekommen. Der Mann aus Sarka bleibt ein Phantom.