Abschied von der Besenkammer

Das ZDF hat seine Pläne fürs WM-Jahr vorgestellt: mehr Info, mehr Böses und ein neues Studio. Das Programm ist zwar breit gefächert, aber geschlechtlich eindimensional. Frauen hat man als Publikum nicht auf dem Schirm

HAMBURG taz ■ Sofortige Lohnerhöhung für Ausstatter und Kulissenbauer der ZDF-Nachrichtenfamilie! Die sendet, ohne dass der Zuschauer es bislang bemerkte, „aus einer Besenkammer statt eines Studios“, wie Chefredakteur Nikolaus Brender am Dienstag auf der Programmpräsentation in Hamburg offenbarte. „Mit dem Interieur eines alten Hanomags.“ Entsprechend werde der Bau eines neuen Studios, der einen zweistelligen Millionenbetrag kosten wird, „die teuerste Einzelinvestition“ des Jahres 2006 sein, gab Intendant Markus Schächter bekannt. Man wolle fit sein für das digitale Zeitalter und „noch hilfreicher erklären“.

Dabei setzen die Mainzer Männer vor allem auf Infoprogramme. Voller Elan priesen sie ihre Investitionen in aufwändige Dokumentationen und Schwerpunktprogramme. Man habe „noch nie so viel Geld in die Hand genommen“, um hochwertige Hintergrundberichte zu produzieren. Schwerpunktthemen wie Organspende oder Globalisierung sollen den Zuschauer „vom Morgenmagazin bis ins Abendprogramm“ begleiten. Kooperationen wie mit dem kanadischen Sender CBC, der New York Times oder der BBC sichern, so Brender, dass „die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen sein wird, nicht nur aus der deutschen“. Formate wie „2056“, „Armageddon“ (!) oder „2030“ sollen die Welt von morgen zeigen, und auch die großen Mehrteiler „Dresden“ oder „Neger, Neger, Schornsteinfeger“ sind dem Bildungsauftrag verpflichtet. Zur Erholung wird viel Böses über den Bildschirm flimmern. Für den Herbst versprach Programmchef Thomas Bellut einen „anderen Krimi“, mit dem man zeigen wolle, „dass wir das Thema Krimi neu interpretieren können“.

Die Mainzer präsentierten sich breit aufgestellt, und doch ist ihr Programm von einer eindimensionalen Sichtweise gekennzeichnet: der männlichen, der leistungsorientierten. Popkultur findet auf diesem angeblich um Verjüngung bemühten Sender überhaupt nicht statt – geschweige denn irgendetwas, aus dem die Bild-Zeitung nicht genauso gut auch eine Serie machen könnte.

Am augenfälligsten ist die Aussparung von Frauen. Die Programmmacher haben ein Angebot zusammengestrickt, das der Jungsmaxime folgt: „Wer hat den längsten?“ Egal ob Kultur, Sport oder Info, immer gilt ein patriarchalisches Leistungsprinzip. Bei „Giganten“ etwa „bekommen berühmte Figuren der deutschen Geschichte ein neues Gesicht“, wie es im Infotext heißt. Gemeint sind Männer. Da die Herren ihren Bildungsauftrag etwas einseitig begreifen, berichten sie über „Die große Schlacht – Verdun 1916“, „Karol Wojtyła – Geheimnisse eines Papstes“ oder „Göring – eine Karriere“ – statt die Sufragetten-Bewegung als Dokudrama zu inszenieren, die Geheimnisse von Coco Chanel zu lüften oder die Karriere von Nina Hagen nachzuzeichnen. Überflüssig zu sagen, dass in der WM-Definition die amtierenden deutschen Weltmeisterinnen nicht vorkommen. Das TV-Programm 2006 zeigt deutlich: Beim Zweiten ist man auf einem Auge blind. SILKE BURMESTER