AEG NÜRNBERG: DIE STANDORTVERLAGERUNG SOLL ELECTROLUX SCHMERZEN
: Deutsch-polnische Solidaritäten

Beim AEG-Stammwerk in Nürnberg geht es nicht um den Erhalt von Arbeitsplätzen um jeden Preis, sondern um einen Sozialtarifvertrag, der diesen Namen verdient, für die 1.750 Beschäftigten, wenn die Produktion nach Polen verlagert wird. Der jetzt beschlossene Streik kommt genau zur rechten Zeit. Denn jetzt besteht noch die Möglichkeit, Druck auf den Eigentümerkonzern Electrolux auszuüben. Was das Forderungspaket anlangt, so geht die IG Metall von der ökonomischen Lage und den Bedürfnissen der Beschäftigten vor Ort aus. Betriebe zu verlagern soll eben für Unternehmer kein gänzlich schmerzloses Manöver sein.

Internationale Solidarität kann für den kommenden Streik in Nürnberg hilfreich sein – gerade seitens der Beschäftigten, die schon jetzt für Electrolux in Polen arbeiten. Ein Erfolg des Nürnberger Streiks würde aber auch die Position der polnischen Arbeiterschaft bei dem dann verlagerten Werk stärken. Generell ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Polen niedrig, vor allem in den neuen Betrieben. Es ist deshalb keineswegs ausgemacht, dass sich die Produktivitätsfortschritte in der polnischen Ökonomie in Lohnsteigerungen niederschlagen. Hierzu bedarf es – wie überall – des organisierten Kampfes. Wenn das polnische Lohnniveau steigen soll, wären die deutschen Gewerkschaften gut beraten, ihre polnischen Kollegen tatkräftig zu unterstützen.

Sinnlos ist es hingegen, generell Betriebsverlagerungen nach Osteuropa zu verurteilen und gegen das niedrige Lohnniveau in diesen Ländern zu wettern. Denn gerade in ihm besteht der einzige Konkurrenzvorteil, den kapitallogischerweise auch ausländische Investoren nutzen. So richtig es ferner ist, sich auf der Ebene der EU für verbindliche Sozialstandards einzusetzen – eine rasche ost-westliche „Harmonisierung“, sprich Verteuerung der Sozialleistungen im Osten, wird es nicht geben. Höhere Löhne und bessere Sozialleistungen werden auch in Zukunft hauptsächlich von den Kräfteverhältnissen in diesen Ländern abhängen. Und zu deren Veränderung kann internationale Solidarität beitragen. CHRISTIAN SEMLER