ALTE MEISTER
: Die Gitarre im All

Eine edle Larrivée-Gitarre trudelt durch die Schwerelosigkeit der Internationalen Raumstation, vorbei an Kabelbündeln und Laptops. Im Off hört man den Astronauten Chris Hadfield für die Zeile „Ground Control to Major Tom“ zum Falsett ansetzen. Fast 12 Millionen Klicks erreichte das YouTube-Video mit der Coverversion des Bowie-Hits „Space Oddity“ in dieser Woche.

Das ist Pop, purer Pop. Denn genau: „The papers want to know whose shirts you wear.“ Das erlebt der Kanadier mit dem Schnauzbart inzwischen buchstäblich. Er ist nicht mehr nur ein Star für Weltraum-Enthusiasten. Er ist vielleicht der Erste dieser Art nach dem Apollo-Fahrer Neil Armstrong, den David Bowie im Auge hatte, als er den Song 1969 schrieb.

Aber das sind nicht die einzigen Parallelen. Szenen aus dem Video, bei denen man nicht weiß, wo oben und unten ist, erinnern auch an berühmte Stillleben alter Meister der Avantgarde. Das bedeutendste ist wohl Juan Gris „Gitarre auf einem Tisch“ (1915). In rechteckige Farbflächen aufgelöst, scheint sich das Instrument zu drehen, der Korpus verschmilzt mit einem Notenblatt. „Ich versuche, das Abstrakte konkret zu machen“, sagte der spanische Maler, der seine Kunst als synthetischen Kubismus bezeichnete. In Zeiten, in denen die bemannte Raumfahrt hauptsächlich teurer Zeitvertreib für ein paar spleenige Reiche geworden ist, sagt das Gitarrenbild (Screenshot: YouTube): Nie war das All der Menschheit näher.

JÖRN KABISCH