INGO ARZT ÜBER EU-WEITE FRACKING-REGELN
: Oettinger tastet sich vor

Günther Oettinger, der deutsche EU-Kommissar für Energie, will Fracking. Oft redet er über die Chancen, kaum über die Risiken. Er sieht darin einen der vielen Bausteine für sein Herzensanliegen: der Industrie in Europa noch „bezahlbare“ Energie zur Verfügung zu stellen.

Fracking, das ist jene Methode zur Förderung von Erdöl und Erdgas, die so umstritten ist, dass sie in Deutschland kaum mehr ohne das Attribut „umstritten“ erwähnt wird. Vermutlich geht Oettinger die Skepsis vieler Deutscher ziemlich auf den Wecker. Ihm geht allerdings ziemlich viel an der deutschen Energiepolitik auf den Wecker; die Förderung erneuerbarer Energien, der Atomausstieg. Jetzt sagte er der Zeitung Die Welt etwas längst Bekanntes: dass auch die EU-Kommission über Fracking rede.

Das muss man dekodieren. Diese Wochen treffen sich die europäischen Staats- und Regierungschefs, um über Energie zu reden. Oettinger will also das Thema Fracking auf die EU-Agenda setzen, bisher trifft jedes Land seine eigenen Entscheidungen dazu. Die Kommission habe doch ohnehin kein Recht, Mitgliedstaaten vorzuschreiben, wie sie ihre Energieversorgung bestreiten, heißt es aus Oettingers Büro. Nun, die Kommission kann Vorschläge zu Umweltrichtlinien erarbeiten und so formulieren, dass Fracking in großem Stil erleichtert wird. Die Mitgliedstaaten müssen zwar zustimmen, aber eine Mehrheit kann eine Minderheit überstimmen, kurzum: Es ist ein Weg, nationale Widerstände auszuhebeln. Regierungen von EU-Staaten können dann auf Brüssel schimpfen und behaupten, die seien genötigt, Fracking zuzulassen. Beim unterirdischen Verpressen von CO2, dem CCS, lief die Diskussion genauso. Wohlgemerkt ist Oettingers Vorgehen legitim – so macht man Politik. Man muss nur wissen: Über Fracking wird auch in Brüssel entschieden.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8