Krönung nach der Katastrophe

AMERICAN FOOTBALL Im Super-Bowl-Finale besiegen die New Orleans Saints überraschend die Indianapolis Colts mit 31:17. Dem Erfolg wird in der vom Hurrikan „Katrina“ traumatisierten Stadt ein hoher Symbolwert beigemessen

„Es war Bestimmung“

QUARTERBACK DER NEW ORLEANS SAINTS, DREW BREES

VON THOMAS WINKLER

Das ganze Brimborium, der Hype, das Ballyhoo. Hunderte von Experten, 74.000 Menschen im Stadion und mehr als hundert Millionen vor dem Fernseher. Ein zwei Wochen dauernder Medienauflauf in Miami und das ewige Gerede vom größten Einzelsportereignis der Welt. Aber am Ende ist auch der Super Bowl dann doch nur ein Footballspiel. Meistens jedenfalls.

Diesmal nicht. Diesmal gewannen die New Orleans Saints. Dass sie dabei die Indianapolis Colts mit 31:17 besiegten, das war erst einmal eine sportliche Überraschung. Wird aber nun in den USA als Wiedergeburt einer ganzen Stadt gefeiert. Denn die Siegermannschaft ist in einer Stadt zu Hause, die bis heute an den Folgen eines Hurrikans zu leiden hat, der vor viereinhalb Jahren über sie hinwegfegte.

Es ist ein symbolträchtiger Erfolg, der den Saints in Miami gelang. „Es war Bestimmung“, sagt Drew Brees. Der Star der Mannschaft erinnerte sich nach dem Sieg an seine Ankunft in New Orleans wenige Monate nach „Katrina“, nach der Katastrophe: „85 Prozent der Stadt standen unter Wasser, die evakuierten Einwohner waren im ganzen Land verstreut, die meisten wussten nicht, ob sie wieder zurückkommen würden, und auch die Saints wussten nicht, ob sie je wieder in New Orleans spielen würden. Die Leute kamen zurück, das Team kam zurück. Und als wir Spieler uns trafen, sahen wir uns an und versprachen uns, dass wir uns alle zusammen um den Wiederaufbau kümmern würden.“

Dass die Euphorie, die sich nach dem Meisterschaftsgewinn in ausufernden Feiern auf der Partymeile Bourbon Street Bahn brach, allzu lang anhalten wird, darf bezweifelt werden. Erst einmal aber werden die Helden zur Siegesparade zurück erwartet, erst einmal feiert ein geplagtes New Orleans den unerwarteten Triumph.

Denn dessen Zustandekommen war einigermaßen sensationell. Hatten die Experten doch nervöse Saints vorhergesagt, weil das Team zum ersten Mal in seiner Geschichte im großen Endspiel stand und zudem die amerikanischen Medien nicht müde wurden, ihren Super-Bowl-Auftritt zum entscheidenden Beitrag der Wiederaufbauleistung aufzubauen.

Die Spieler selbst ließen sich nicht verrückt machen. Auch nicht, als sie schnell 0:10 zurücklagen. Stattdessen versuchten die Saints ihre von den Experten diagnostizierten spielerischen Nachteile mit fantasievollen Spielzügen und verblüffender Taktik auszugleichen. Nicht immer wurde das Risiko belohnt, so kurz vor der Halbzeitpause, in der The Who ein Medley ihrer alten Hits spielte: Die Saints standen kurz vor der Endzone des Gegners. Doch vier Versuche aus kaum einmal drei Yards reichten nicht zum Touchdown. Auf einen Field-Goal-Versuch hatten die Trainer verzichtet und New Orleans blieb ohne Punkte.

Vieles aber klappte, so ein selbstmörderischer Onside-Kick zu Beginn der zweiten Halbzeit. Vor allem aber gelang es den Saints mit ihrer unkonventionellen Spielweise, den Gegner zu irritieren. Plötzlich unterliefen den eigentlich erfahreneren Colts untypische Fehler. Gut die Hälfte der Mannschaft aus Indianapolis hatte bereits vor vier Jahren einmal den Super Bowl gewonnen. Vor allem Peyton Manning ließ sich von der allgemeinen Nervosität anstecken. Dem Quarterback der Colts war auch der alles entscheidende Lapsus anzulasten: Gut drei Minuten vor dem Ende des Spiels warf er den Ball unbedrängt einem Gegner in die Hände und der trug ihn 74 Yards zum Touchdown. Die Niederlage von Indianapolis war besiegelt und Manning hat wieder einmal die Diskussion in Gang gesetzt, ob er tatsächlich der beste Spielmacher seiner Generation ist. Denn zwar wurde der 33-Jährige in dieser Saison bereits zum vierten Male zum besten NFL-Spieler gewählt, so oft wie niemand sonst in der Geschichte der Liga, aber in den entscheidenden Spielen in den Playoffs hat Manning zu oft nur mittelmäßige Leistungen abgeliefert.

Im Gegensatz zu seinem Gegenüber Drew Brees. Während die Verteidigung der Saints Manning in Schach hielt, orchestrierte der Quarterback eindrucksvoll den Angriff für New Orleans. Fast im Alleingang nahm er die Abwehrreihe der Colts auseinander. Weil das Laufspiel nicht in Gang kommen wollte, war Brees gezwungen seine Mannschaft mit Pässen übers Spielfeld zu manövrieren. Dabei fanden 32 seiner 39 Passversuche einen Empfänger, eine Super-Bowl-Bestmarke. Am Ende hatte Brees 288 Yards und zwei Touchdowns erworfen und wurde zum Super-Bowl-MVP, zum besten Akteur des Endspiels gewählt. „Wir haben an uns geglaubt“, sagte Brees nach dem Spiel, „und wir wussten, dass eine ganze Stadt und vielleicht sogar ein ganzes Land hinter uns stand.“ In New Orleans ist Brees jetzt zweifellos ein Held. Ob das der Stadt wirklich weiterhilft, das ist eine andere Frage.