EINER WIRD TANZEN
: Super Bayern!

Zu Rummenigges Zeiten hat mich mein Vater mitgenommen

Wir werden uns das große Finale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund in Matzes Wohnung in Prenzlauer Berg anschauen. Matze hat Sky, einen riesigen LED-Flachbildfernseher und eine verständnisvolle Freundin. Jeder bringt was zu knabbern und ein paar alkoholische Getränke mit. Wir, das sind Matze und seine ostdeutschen Kumpels, die allesamt Bayern München hassen, und meine Wenigkeit, die ein Wessi – und was noch viel schlimmer wiegt – auch noch Bayern-Fan ist.

Mein Vater hat mich bereits zu Rummenigges Zeiten mit ins Münchener Olympiastadion genommen. Ich war sechs Jahre alt, und seitdem begleiten wir – der Verein und ich – uns durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Ich liebe, ja, liebe diesen Verein. Meine ostdeutschen Freunde halten mich deswegen für verrückt. Die Bayern verkörpern für sie das Böse in der Welt, die Bayern sind für sie großkotzig, seelenlos, dick und hässlich. Argumente wie Kindheitsliebe, Treue und die Liebe zum schönen Spiel lassen sie nicht gelten.

Als wir letztes Jahr das Champions-League-Finale gegen Chelsea London im Elfmeterschießen verloren, kannte ihre Freude keine Grenzen. Männer um die 40 hüpften durch Matzes Wohnung und lagen sich freudestrahlend in den Armen, während ich niedergeschlagen im Sessel versank. Aber diese Reibung zwischen uns und ihnen erzeugt Emotionen, macht die Champions-League-Abende so spannend. Wir haben uns den Neid der anderen über Jahrzehnte hinweg schwer erarbeitet. Und diesmal, das spüre ich genau, wird in Matzes Wohnung nur einer tanzen. Dortmund wird lange Zeit wie der sichere Sieger aussehen, meine Freunde werden bereits in Feierstimmung sein. Doch dann drehen wir das Spiel, in der 93. Minute dringt Philipp Lahm über rechts in den Strafraum ein und schießt – Weidenfeller ist geschlagen! Toooooor!

ALEM GRABOVAC