Immer langsam mit den Steuerbetrügern

FINANZEN Die Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten verschieben auf ihrem Gipfel Beschlüsse für ein strengeres Steuerregime auf Ende des Jahres. Österreich lenkt ein, Luxemburg und Irland mauern

BRÜSSEL taz | Die EU hat neue Beschlüsse im Kampf gegen die Steuerflucht auf das Jahresende vertagt. Bei dem EU-Gipfel am Mittwoch in Brüssel konnten sich die 27 Regierungschefs der Mitgliedstaaten nicht einmal auf einen festen Termin zum Austausch von Bankdaten einigen. Nun soll ein weiteres Gipfeltreffen im Dezember den Durchbruch bringen. Vor allem Luxemburg und Irland mauern. Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker sagte, er wolle keinen festen Termin zur Umsetzung der Zinsbesteuerungsrichtlinie akzeptieren, die einen automatischen Informationsaustausch über Zinserträge vorsieht. Erst müsse die Europäische Union in Verhandlungen mit der Schweiz eintreten. Diese sollen im Sommer beginnen.

Sein irischer Amtskollege Enda Kenny betonte, das irische Steuerregime sei mit EU-Recht vereinbar und werde nicht geändert. Zuletzt war Irland unter Druck gekommen, weil der amerikanische Computerhersteller Apple dort massiv Steuern spart. Die EU-Kommission habe das irische Vorgehen in Sachen Apple nicht beanstandet, betonte Kenny.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangte, das Lavieren müsse ein Ende haben. Frankreichs Präsident François Hollande betonte, die EU könne nicht zulassen, dass Gelder aus rein steuerlichen Motiven verschoben würden. Ende des Jahres müsse es dazu eine Entscheidung geben. Durch Steuerflucht und -vermeidung gehen den EU-Staaten nach Schätzungen jedes Jahr eine Billion Euro durch die Lappen. Die Zinsbesteuerungsrichtlinie gilt bereits seit 2005. Luxemburg und Österreich hatten sich jedoch Ausnahmeregeln gesichert, die die EU nun abschaffen möchte. Österreich ist offenbar zum Einlenken bereit.

Luxemburg will dagegen erst ab 2015 Bankdaten austauschen – wenn die anderen europäischen Steuerparadiese Schweiz, Liechtenstein, Andorra, Monaco und San Marino ebenfalls mitziehen. „Wenn diese Ergebnisse vorliegen, dann werden wir schnell zu Entscheidungen kommen. Im Grundsatz sind wir mit der Erweiterung der Bemessungsgrundlage auf weitere Finanzprodukte einverstanden“, sagte Juncker.

Zu Beginn des EU-Gipfels hatte sich der Chef des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), für noch weitgehendere Regeln ausgesprochen. „Würden tatsächlich sämtliche anfallenden Steuern eingetrieben, könnten die Schulden aller europäischen Staaten innerhalb eines Jahrzehnts getilgt werden“, so Schulz. Der Gipfel soll verabreden, dass die Summe der nicht eingetriebenen Steuern bis zum Jahr 2020 halbiert wird. Doch darauf ließen sich Merkel & Co. nicht ein. Auch der Appell, die Konzerne stärker an die Kandare zu nehmen, verhallte ungehört. ERIC BONSE