: Die Angst geht um
Wie der Dortmunder Verleger Lambert Lensing-Wolff auf Kosten der Angestellten die „Ruhr Nachrichten“ umbaut
Die Luft ist dünn bei den Dortmunder Ruhr Nachrichten (RN). Seit Ende vergangener Woche herauskam, dass der Verleger Lambert Lensing-Wolff die Lokalteile Bottrop, Gladbeck und Gelsenkirchen einstampfen will, hüllen sich die Angestellten in ängstliches Schweigen. Denn sie wissen allzu gut, wie unangenehm ihr Verleger werden kann. Anfang 2004 etwa versuchte Lensing-Wolff mit allen Mitteln, seine streikenden Angestellten mundtot zu machen. Deshalb gilt jetzt: Bloß keine falsche Bewegung.
13 feste Redakteure sind von den Schließungen betroffen, zuzüglich Pauschalisten und freie Mitarbeiter. Zwar wurde bislang niemandem gekündigt, doch was das Aus für die Mitarbeiter bedeutet, lässt sich an einer Hand abzählen: Etliche sind schon lange im Haus und dementsprechend alt. Überdies ist die Marktlage für Journalisten düster. Und die 13 Journalisten sind wohl nicht die letzten, denen es an den Kragen geht. Nächster Kandidat droht die Redaktion in Bochum zu werden.
Diesen Lokalteil will Lensing-Wolff in eine eigene Gesellschaft überführen, den so genannten Verlag West. Eine wohl von langer Hand geplante Strategie: Denn nicht nur Bochum soll in eine eigene Gesellschaft wechseln, andere Lokalteile auch. Der Zweck? Laut dem NRW-Geschäftsführer des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Kajo Döhring, schließt sich Lensing-Wolff mit seinen Gesellschaften nicht dem Zeitungsverlegerverband NRW (ZVNRW) an, der mit den Gewerkschaften die Tarifverträge aushandelt. Nach einem Jahr gesetzlicher Schonfrist kann der Verlag Druck auf die Mitarbeiter ausüben. Und so auch die Gehälter senken.
Der DJV hat für diese Methode keine schönen Worte übrig. Mit „juristischen Winkelzügen“ versuche sich Lensing-Wolff aus der sozialen Verantwortung zu ziehen, heißt es dort. Und es kommt noch dicker: So ist Lensing-Wolff nämlich auch stellvertretender Vorsitzender des ZVNRW. Auf Anfrage der taz, wie der Verband zu den Vorgängen bei den RN stehe, ließ der Vorsitzende Clemens Bauer (Rheinische Post) nur mitteilen, dass er sich zu „internen Vorgängen eines Mitgliedverlages“ nicht äußern wolle. Auch beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin schweigt man dazu.
Und während Lensing-Wolff die Kosten dämpft, obschon er es nicht nötig hätte, geht im Revier die Meinungsvielfalt den Bach runter. In Bottrop, Gelsenkirchen und Gladbeck ist ab dem 1. April die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) alleine am Ort. Gleiches droht in Bochum, sollte man die dortige RN-Redaktion nächstes Jahr auch schließen. Es sieht alles nach Abwicklung aus. Intern heißt es zwar, der Verlag West solle veräußert werden. Aber einen Käufer zu finden für einen Lokalteil, der weit abgeschlagen hinter der WAZ rangiert – daran glaubt vermutlich nicht mal Lensing-Wolff. Für eine Stellungnahme war der Verleger bislang nicht zu erreichen. Auch Lutz Schumacher, Ex-Chef der Nachrichtenagentur ddp und Mitglied der RN-Chefredaktion, will sich nicht äußern. Er soll die Geschicke im Verlag West lenken. Und selbst der Betriebsrat hält sich zu den Redaktionsschließungen sonderbar bedeckt. Einziger Kommentar: „Es wird verhandelt.“ BORIS R. ROSENKRANZ
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