berliner szenen Sonys Dschungelkind

Gemütlich lächeln

Im Innern der Jurte ist es mollig warm. Als eine Dame mit Fellkappe die Holztür zuzieht, breitet sich der Geruch von Schafwolle und Talg in der schummrigen Höhle aus. Da muss Chemie am Werk sein, denke ich, ein Raumspray, das authentisch mongolischen Steppenduft verströmt. Schließlich steht die innen mit rot-blauem Stoff bespannte Jurte mitten im Sony Center.

Ich gucke wohl etwas skeptisch, denn der ältere Herr, der neben mir auf einem Filzwürfel sitzt, sagt eifrig: „Sie werden schon sehen, das ist wirklich zu empfehlen.“ Ich weiß nicht genau, was er meint: Den „Berliner Wintersalon“, in dem das Sony Center an vier Tagen 35 Autoren mit 100 Lesungen durch zwei Jurten jagt, oder die bevorstehende Lesung der „Dschungelkind“-Autorin Sabine Kuegler. Ich lächle einfach zurück und lasse mich von der schafswollenen Gemütlichkeit umfangen.

Die Fellkappendame erscheint in Begleitung der rehäugigen Autorin und kündigt eine „total verrückte Kindheit in Westpapua“ an. Sabine Kuegler liest bescheiden die Passage, wie sie als Siebenjährige mit ihren Sprachforscher-Eltern und Geschwistern im Urwald landete – um die nächsten zehn Jahre dort zu verbringen. Mit merkwürdigem Akzent erzählt sie von nackten Nachbarn mit Knochen in der Nase, Krokodilen als Spielkameraden und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit. Ich nehme meinen Schal ab. Kuegler berichtet, wie sie mit 17 nach Europa zurückkehrte und sich bis heute fremd fühlt in einem Land, das die Blutrache nicht kennt. Geduldig beantwortet das Dschungelkind hinterher die vielen Fragen der Zuhörer. Ich denke darüber nach, mir das Buch zu kaufen. Vielleicht verströmt es auch zu Hause in Kreuzberg einen Hauch von Urwaldexotik. NINA APIN