Nur noch ein bisschen mehr Schubidu!

Sirenenhaft und doch zackig, ein bisschen orientalisch, ein bisschen schweinerockend: Die nächste Berlin-Indie-Hype-Band Super 700 überzeugte einen rappelvollen Mudd Club und lässt auf ein Debütalbum mit Live-Charakter hoffen

Vorne drei Schwestern, hinten vier Jungs: So ließe sich das Konzept der neuen Berliner Hype-Hoffnung Super 700 zusammenfassen. Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Die drei Schwestern Ramadani, Töchter albanischstämmiger Einwanderer, teilen sich den Job am Mikro nicht wirklich zu gleichen Teilen: Ibadet, die hübscheste, macht die Hauptarbeit, die anderen beiden, Ilirjana und Albana, leisten Unterstützung. Heraus kommt ein meist leicht disparater Singsang, ein hochgestimmtes Sirenensummen, rauschhaft und mit einem kleinen Hauch Orientalismus. Wäre aber alles nix, wenn die vier Jungs hinten nicht schnurgerade zackig, mit Schwung und eben den richtigen Breakideen aufwarten würden.

Aber ich greife voraus. Zu erzählen wäre vorher noch von einer verklirrten, seltsam tragenden Nacht, von dem feucht-muffigen Mudd-Club-Keller und einer Vorband, die mit einer zwielichtigen Prince-Coverversion („Sign O’ the Times“) eröffnete und in der Folge leider an dem, was ich hier einmal das Mondo-Fumatore-Syndrom nennen möchte, litt: Sie machten Electroclash mit durchaus sympathischen Ansätzen, nur eben weder besonders aufregend noch mit dem gekickten Wollen, das eine Band nun mal braucht, um auf ein anderes Niveau zu kommen.

Anders aber Super 700. Mit durchweg enormer Bühnenpräsenz spielten sie alle Zweifel wegen des massiven Vorablobs an die Wand. Obwohl die Schwierigkeiten dann zuhauf kamen: Die Akustik im Mudd Club legendär schlecht. Die Menge anfangs so munter parlierend, als ob sie auf Größeres wartete – vielleicht waren die meisten wirklich nur wegen der Aftershow-Sause gekommen. Und dann noch der verzweifelt gegen widrige Umstände anpegelnde Mischer.

Aber der aufkeimende Hype um Super 700 ist angemessen. Wirklich. Die drei Damen vorne gaben mal die Andrew Sisters, um dann gleich wieder an die guten Seiten von TicTacToe oder TLC zu erinnern. Die Band hinten rockte derart druckvoll und funky, dass klar war: Die hatten das Richtige aus den richtigen Platten gelernt. Die Songs waren schneidig, der Auftritt war selbstbewusst, die Musik eigen und willig. Nach fünf, sechs Stücken hatten sie die Menge im Sack. „Self control is not my thing“, sang Ibadet, ihre Schwestern säuselten den Background. Manchmal war das eine Winzigkeit zuviel Gesäusel. „Mehr Schubidu!“, mochte man ihnen zurufen, weniger verinnerlichte Professionalität, mehr Mut zum Pop mit der ganz großen Geste (Auch mal ironisch eine Sitar einsetzen! Beach Boys hören!).

Aber das sind nur Kritteleien. Eigentlich fehlen nur ein paar Prozentpunkte, um zu den Strokes oder den Yeah Yeah Yeahs aufzuschließen. Denn live entwickelte sich das alles viel kräftiger, viel ekstatischer, als es auf dem letztjährigen Minialbum „When Hare And Fox Had Fun“ (Lasso Music/Cutting Edge) – endlich mal wieder eine Platte mit einem Pferd auf dem Cover! – noch klingt. Was besonders Ibadet Ramadani da auf der Bühne zeigte, das hatte Aura, das war schon umwerfend: Coolster Auftritt seit PJ Harvey 1994! Das reguläre Debütalbum der neuen Berliner Indie-Hoffnung Super 700 erscheint dann im April. Watch out. RENÉ HAMANN