Gammelfisch auf Wackelsitzen

Angekündigt war ein „fünfdimensionales Kinoerlebnis“ – mit Fühlsitzen, plastischen Bildern und Duftsystem. Das Publikum zeigte sich nach der Deutschlandpremiere des 5 D-Kinos in Tegel nur mäßig überzeugt. Und der Fisch roch auch nicht frisch

VON JOHANNES RADKE

„5 D-Kino-Premiere – Geschlossene Gesellschaft“ steht an den Türen des CineStar-Kinos im Tegeler Shopping-Center Hallen Am Borsigturm. Im Vorraum warten zwei Dutzend Pressevertreter, Kamerateams bauen hektisch ihr Equipment auf. Das mediale Interesse am neuen „Duftkino mit Bewegung“ ist groß.

Gestern stellte die österreichische Firma Prime Cine Technologies gemeinsam mit der Cine-Star-Gruppe ihr neuartiges „5 D-Kino“ vor. Durch „Bewegungen der Sitze, Wind und Sprühnebel, kombiniert mit dezent eingesetzten Duftstoffen“, will die Firma ein „einzigartiges Erlebniskino“ für die Besucher schaffen. Das 5 D-Kino werde das bisherige Kino wohl kaum ersetzen, sagt Alfred Gelbmann, Geschäftsführer von Prime Cine Technologies, „es handelt sich aber um ein Nischenprodukt mit hohem Erlebniswert“. Mit rund 100.000 Besuchern im letzten Jahr sei das Konzept in Österreich erfolgreich angelaufen, jetzt wolle man das Duftkino auch in Deutschland bekannt machen. „Hier lässt sich am eigenen Leib erfahren, dass die Zukunft des Kinos gerade erst begonnen hat“, fügt Jan Oesterlin, Pressesprecher der CineStar Gruppe hinzu. Und Centermanager Dieter Simon freut sich über das „einmalige Highlight“ in seinen Hallen.

„Seien sie nicht zu kritisch“, rät Gelbmann den wartenden Pressevertretern noch, bevor es in den Kinosaal geht. Dort überzeugen sich gerade die ersten 36 Besucher auf den Spezialsitzen selbst vom „Erlebniskino für die ganze Familie“. Als anschließend die Journalistentraube in den winzigen Vorführraum drängt, bleiben vereinzelte Zuschauer einfach sitzen. Einige von ihnen denken, dass es sich bei der 25-minütigen Vorführung um eine Art Vorfilm gehandelt habe und erst jetzt das richtige Erlebnis beginnt. Dagmar Schilli ist mit ihrem 8-jährigen Sohn Niklas zur Premiere gekommen. „Wir haben zwei Karten im Radio gewonnen und uns sehr auf den Besuch gefreut“, erklärt sie. Von der Vorstellung ist sie enttäuscht. „Wir waren schon oft im 3 D-Kino“, sagt sie, „aber das waren immer schöne Naturfilme, keine computeranimierten Bilder“. Viele Pressevertreter haben keinen Sitzplatz mehr bekommen und müssen stehen. Als der Film beginnt, sitzen die verbliebenen Zuschauer im Scheinwerferlicht der Kameras. Schlecht animierte Meerestiere flimmern über die Leinwand. Die 3-D-Effekte zeigen durch das viele Licht wenig Wirkung. Schwankende „Sensory Seats“ und ständig wechselnder Raumduft können die Situation auch nicht retten.

Plötzlich wird der Film unterbrochen, das Licht geht an. Eine Mitarbeiterin des Kinos bittet freundlich, aber bestimmt „alle Nicht-Pressevertreter“, den Saal zu verlassen. Schließlich brauche man Platz für die übrigen Journalisten, die noch vor der Tür warten. Frau Schilli ist empört. „Der größte Mist“ sei das alles. Ihren Sohn Niklas konnte das fünfdimensionale Kino ebenso wenig überzeugen. „Der Fisch hat vergammelt gerochen“, sagt er. Und der wackelnde Sitz? „Ging so.“ Auf die Frage, ob er gern mal wieder ins 5 D-Kino gehen wolle, gibt Niklas eine klare Antwort: „Nee, lieber ins normale.“

Unterdessen träumt Prime-Cine-Geschäftsführer Alfred Gelbmann von vielen weiteren 5 D-Kinos in Deutschland: „Es gibt irrsinnig viele Anfragen.“

5 D-Kino in den Hallen Am Borsigturm, Tegel. So.–Do. 13.45–21.45 Uhr, Fr.–Sa. 13.45–23.45 Uhr. Eintritt: 6,50 Euro, unter 12 Jahren 4,50 Euro.