„Das war furchtbar unjuristisch“

Der Rechtsanwalt Dieter Kierzynowski begrüßt ausdrücklich die Neuregelung, die staatenlosen Palästinensern eine Aufenthaltserlaubnis in Aussicht stellt. Dass sie nicht früher zustande kam, hat aus seiner Sicht ideologische Gründe

taz: Herr Kierzynowski, viele palästinensische Flüchtlinge leben seit Jahren in Berlin mit jeweils nur für wenige Monate gültigen Aufenthaltstiteln. Löst die neue Regelung dieses Problem der „Kettenduldungen“?

Dieter Kierzynowski: Soweit es die Palästinenser betrifft, wird sich das schlagartig lösen. Und die waren eine der Hauptproblemgruppen – wenn man mal von den Bosniern absieht, für die es ja jetzt auch eine Lösung geben soll. Damit haben diese Leute endlich eine Chance, sich zu integrieren, was mit den Kettenduldungen unmöglich war.

Eine Ursache des Problems waren fehlende Flüchtlingspapiere. Warum hat der Libanon keine neuen ausgestellt?

Die Politik der arabischen Länder war immer, Palästinenser nicht einzubürgern, um die palästinensische Frage offen zu halten. Deshalb hat man sie ja auch jahrzehntelang in diesen Lagern gehalten, statt sie zu integrieren. Um sie von den eigenen Staatsbürgern zu unterscheiden, stellt der Libanon ihnen deshalb keine Pässe, sondern ein „Document des voyages“ (DDV) als Passersatz aus. Wer ein gültiges DDV hatte, konnte abgeschoben werden. Bei allen anderen weigerte sich die libanesische Botschaft, die zur Abschiebung notwendigen Papiere auszustellen.

Viele Palästinenser haben also ihre Papiere als verloren gemeldet, um einer Abschiebung zu entgehen?

Natürlich will niemand abgeschoben werden aus einem Land, in dem er für sein Leben oder das seiner Kinder bessere Chancen sieht. Dann anzugeben, man habe seinen Pass verloren oder der sei von Schleppern einbehalten worden, ist ein gängiges Mittel. Ganz sicher war es nicht so, dass der Libanon den Leuten einen Gefallen tun wollte. Sie wollten die Flüchtlinge nicht zurückhaben. Teils aus demografischen Gründen, aber auch, weil die libanesische Bevölkerung die Palästinenser immer noch für hauptverantwortlich für den Ausbruch des Bürgerkrieges hält.

Warum hat die Ausländerbehörde in diesen Fällen nur Duldungen erteilt?

Das liegt daran, dass die Berliner Ausländerbehörde im Gegensatz zu fast allen anderen deutschen Ausländerbehörden lange auf dem Standpunkt beharrte: Wenn Palästinenser sich ernsthaft bemühen, dann kriegen sie auch ein Reisedokument und können in den Libanon zurückkehren. Erst jetzt mit der neuen Weisung hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Quatsch ist. Palästinenser, bei denen unklar ist, ob sie in Deutschland bleiben können, haben gar keine Chance, von der libanesischen Botschaft Papiere zu bekommen.

Und warum wurde das bislang ignoriert?

Das hatte ideologische Gründe. Ich habe in vielen Gerichtsverfahren gefragt, wieso das in Brandenburg mit einem Innenminister Schönbohm längst geht und in Berlin nicht. Dann hieß es immer: Ja, wie viele Palästinenser hat der denn in Brandenburg? Da ist also immer mit der großen Anzahl von Palästinensern in Berlin argumentiert worden. Das ist natürlich furchtbar unjuristisch. Entweder haben viele den Anspruch – oder keiner.INTERVIEW: ALKE WIERTH