Der Spaßspieler mit den lauten Fans

Marcos Baghdatis, Zyperns Mann des Jahres 2005, schlägt in der dritten Runde der Australian Open Denis Gremelmayr

MELBOURNE taz ■ Als verantwortungsbewusster Mensch muss man sich manchmal auch um Kleinigkeiten kümmern. Weil ihm nicht entgangen war, dass sein imponierend großer, lauter Fanclub im Spiel zuvor nicht ganz stubenreine Gesänge angestimmt hatte, bat Marcos Baghdatis, natürlich in netter Form, seine Leute persönlich um freundlicheres Liedgut. Mit Erfolg. In Runde drei sang die Kombo in Kornblumenblau zwar mit unverminderter Lautstärke weiter, hielt sich aber ansonsten an die Spielregeln. Kein böses Wort.

Am Gesang lag es nicht, dass Denis Gremelmayr gegen Baghdatis von Anfang an auf verlorenem Posten stand und in Windeseile 2:6, 1:6, 2:6 verlor. Zwei Tage nach dem größten Sieg seiner Karriere gegen Robby Ginepri klappte beim deutschen Überraschungsmann von Anfang an nichts. Doch die Enttäuschung über das Ende seines ersten Auftritts bei den Australian Open wog letztlich weniger schwer als die Erkenntnis, den besten hundert des Tennis ein gutes Stück näher gerückt zu sein. Zu gern hätte Denis Gremelmayr am Sonntag noch gegen Andy Roddick gespielt, doch das wird nun Marcos Baghdatis tun. Der ist 20 Jahre alt, war 2003 der weltbeste Junior und ist eine höchst interessante Figur, nicht nur, weil er aus Zypern und damit auf dem bunten Planeten Tennis quasi aus einem Entwicklungsland kommt. Auf die Frage, wie bekannt er daheim in Limasol und auf der Insel sei, überzeugt er mit der kompakten, selbstbewussten Antwort: „Mann des Jahres 2005 und bester Athlet“.

Dafür hat er einiges tun müssen. Er sagt, es sei ihm nicht leicht gefallen, den Sprung von den Junioren ins Profigeschäft zu vollziehen. Er habe keine Hilfe von seinem Verband gehabt, habe selten von wildcards bei den Turnieren profitiert und sei auch sonst auf sich allein gestellt gewesen. Dafür habe er eine Menge Opfer gebracht und seine Familie auch. Aber die harte Tour hat Baghdatis offensichtlich gut getan. Er weiß sich besser einzuschätzen als viele seines Alters. „Ich weiß, dass ich mit den Füßen auf dem Boden bleiben und weiter hart arbeiten muss, und dann kann ich noch viel besser werden.“

Und er ist jetzt schon nicht schlecht. Nicht nur im Spiel gegen Gremelmayr überzeugte er mit einer Mischung aus Lässigkeit und Cleverness. Oft scheint er an der richtigen Stelle zu stehen, und manche seiner Bewegungen erinnern an die Roger Federers, obwohl doch der Australier Pat Rafter sein Vorbild ist. Aber Federer hat in Baghdatis’ kurzer Karriere schon eine gewisse Rolle gespielt. Als er sich bei den US Open 2004 zum ersten Mal für das Hauptfeld qualifizierte und in der zweiten Runde gegen den Schweizer im riesigen Arthur Ashe Stadion spielen durfte, schien er das sehr zu genießen. Er nahm der Nummer eins des Tennis gleich mal einen Satz ab, was bekanntlich nicht jeder schafft. Im letzten Jahr bei den Australian Open war erst Federer in der vierten Runde Endstation für den Zyprioten beim bisher größten Erfolg im Rahmen eines Grand-Slam-Turniers.

Kein Wunder bei der Unterstützung. Baghdatis sagt, in Australien fühle er sich wie zu Hause. Hier lebten einundzwanzig Cousins, alle aus dem Familienzweig seines libanesischen Vaters, dazu diverse Onkel, und ein großer Teil davon gehört zur Fan-Kombo, die während seiner Spiele singt und hüpft und tanzt und so viel Lärm macht, dass man als Gegner ziemlich gute Nerven braucht.

Andy Roddick versichert, die habe er. Der sieht dem gemeinsamen Spiel in der vierten Runde am Sonntag mit Interesse entgegen, denn er hält ihn für einen interessanten Typen. „Marcos geht es offensichtlich immer gut. Das, was er tut, macht er gern, und er scheint Spaß an der Herausforderung zu haben. So was kommt bei den Leuten an“. Und wegen der Sänger in den blauen Trikots, Mützen und Kappen macht er sich keine Sorgen. Baghdatis’ Gruppe besteht fast ausschließlich aus Männern – so wie das in dessen Heimat im Mittelmeer noch gute Sitte ist. Roddicks Fantruppe setzt sich hauptsächlich aus eher spärlich bekleideten jungen Damen zusammen. „Ich habe ein paar Mädels da draußen, er hat verschwitzte Typen.“ Keine Frage, was ihm lieber ist. DORIS HENKEL