Amnesie im Zeugenstand

TODESSCHUSS Im Prozess gegen einen Polizisten wegen fahrlässiger Tötung halten sich seine Zivilfahnder-Kollegen sehr bedeckt. Die zentrale Frage der Schusshand bleibt Mittelpunkt des Verfahrens

„Ich habe am Ohr das Mündungsfeuer gespürt wie einen starken Schlag“

ZIVILFAHNDER MICHAEL B.

Im Berufungsverfahren gegen den Polizisten Hans-Peter A. wegen fahrlässiger Tötung vor dem Landgericht macht sich bei seinen Zivilfahnder-Kollegen Amnesie breit. Der 52-Jährige hatte am 26. Juni 2007 bei einem Festnahmeversuch auf der Börsenbrücke den Scheckkartenbetrüger Tibor C. (27) erschossen. „Viele Sachen habe ich versucht zu verdrängen, aber nicht, weil ich hier nicht aussagen will“, beteuert Michael B. der unmittelbar am „Zugriff“ beteiligt war. Auch der beteiligte Michael E. kann „nicht mehr sagen, was ich da gesehen habe“.

Der angeklagte Polizist bekräftigte am Dienstag in der Befragung von Richterin Sybille Peters seine Version, er habe beim Versuch die Fahrertür des linksseitig geparkten englischen Renault zu öffnen seine Waffe aus der schusssicheren rechten in die ungeübte linke Hand genommen. Das habe „möglicherweise“ das Gefahrenpotenzial erhöht. Denn als das Auto einen Ruck nach vorn machte, habe sich der Schuss versehentlich gelöst.

Im Gegensatz zu früheren Angaben will A., der sich vom Heck näherte, dabei den Griff der Fahrertür in der Hand gehabt haben. „Ich hab’ die Tür aufgerissen.“ Diese Version ist jedoch konträr zu den Angaben des Kollegen Michael B., der auch an der Fahrertür gestanden haben will und „solch ein Bild von einer offenen Tür nicht vor Augen“ habe. An seine früheren Angaben, dass vielmehr er den Griff der Fahrertür in der Hand gehabt hätte und A. die Hintertür öffnen wollte, könne er sich aber heute nicht mehr erinnern. „Ich kann mich damals geirrt haben“, sagt B. „Ich weiß das definitiv nicht mehr.“

Jedoch an den Schuss aus der Waffe kann sich B. noch genau erinnern. Er habe am Ohr das „Mündungsfeuer gespürt wie einen starken Schlag gegen die linke Gesichtshälfte“. Er sei nach „rechts weggeflogen“ und habe danach benommen „getorkelt“.

Das würde sich mit den Vermutungen der Nebenklagevertreterinnen Astrid Denecke und Ina Franck decken, die die Kinder des erschossenen Tibor C. vertreten. Sie gehen davon aus, dass A. beim Versuch die Hintertür zu öffnen mit der rechten Hand geschossen und die Waffe in Schulterhöhe gehalten hatte. Der Prozess wird fortgesetzt. KAI VON APPEN