Beim Lesen kommt mir die Galle hoch

Bei der heutigen Lektüre kommt mir – um im facheigenen Jargon zu bleiben – die Galle hoch.

Von den 80.000 Euro, die die niedergelassenen Ärzte in Deutschland jährlich verdienen, müssen die Krankenversicherung (rund 5.000 Euro) und die Altersversorgung (rund 15- bis 20.000 Euro) bestritten werden, damit relativiert sich das Einkommen im Schnitt (und das bedeutet für viele Ärzte eben auch ein wesentlich niedrigerer Verdienst) auf unter 60.000 Euro pro Jahr. Bei einer Wochenarbeitszeit von 40 bis 60 Stunden mit Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft, einer Ausbildung, die im Mittel zehn bis zwölf Jahre beansprucht hat, und einem Berufseinstieg, der zunächst einmal mit einer Verschuldung beginnt, finde ich diese Größenordnung zunehmend auch ungerecht!

Die ambulante Medizin (also Arzt- und Medikamentenkosten) verursachte 1999 22 Prozent der gesamten Gesundheitskosten, 2005 waren es nur noch 17 Prozent, hiermit kommen wir pikanterweise den internen Verwaltungskosten (inkl. Managergehältern) der Krankenkassen sehr nahe, die ca. 15 Prozent (!) der Gesamtkosten ausmachen.

Pauschalisierungen wie „Ärzte […] gehen dahin, wo die Privatpatienten und das Geld sitzen, in die Gutverdienerviertel“ habe ich bisher eher in der Boulevardpresse verortet. Sie sind wirklich nicht geeignet, die Situation im ambulanten Sektor des deutschen Gesundheitswesens widerzuspiegeln. Die Privatpatienten müssen leider zur Alimentation der Kassenpraxis herhalten, da eine vernünftige Bewirtschaftung derselben mit derzeit 15 Euro pro Patient pro Monat wirklich nicht mehr ausreicht. Die nächsten finanziellen Einschnitte sind hier von gesundheitspolitischer Seite allerdings schon angedacht im Rahmen einer Änderung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).

Es geht nicht darum, „noch mehr“ Geld zu bekommen, sondern weitere Einkommensverluste (derzeit durchschnittlich zehn bis 15 Prozent jährlich) zu verhindern, die für viele, vor allem erst seit kurzem niedergelassene Kollegen, existenziell bedrohlich sind. Meines Wissens gibt es keinen Berufsstand, der bei ständig steigenden Kosten (Raummiete, Gehälter, Lebenshaltungskosten) regelmäßig mit nominellen Einkommenseinbußen konfrontiert wird. Welcher andere Berufsstand bekommt von einem Verwaltungsgremium vorgeschrieben, wie viel Prozent der geleisteten Arbeit entlohnt werden und wie viel Prozent er unentgeltlich zu erbringen hat? Welcher Feuerwehrmann muss das Wasser zur Brandbekämpfung selber bezahlen?

Die „Verschreibung günstigerer Pillen“ hat mittlerweile einen Anteil von über 70 Prozent erreicht, und wir sind nicht länger bereit, offene oder verdeckte Preiserhöhungen der Pharmaindustrie und (u. a. medikamenten-)preistreibende politische Entscheidungen wie die Mehrwertsteuererhöhung mit unserem Einkommen zu finanzieren, wie es die Krankenkassen für die zu erwartende Steigerung der Medikamentenausgaben planen. Auch die für April beschlossene Bonus-Malus-Regelung wird von der Mehrzahl der niedergelassenen ÄrztInnen abgelehnt.

Wir wehren uns gegen eine überbordende Bürokratisierung unserer Arbeit, die nichts mit Umstellungsproblemen oder einer unzureichenden EDV-Versorgung der Praxen, sondern mit dem in immer kürzerem Zeittakt wachsenden Verwaltungsaufwand zu tun hat, der uns von Krankenkassen und ministerieller Seite zugemutet wird und uns die für die Patienten nötige Zeit raubt.

BERND BREIDENBACH, Aachen