Abstimmung über deutsch-polnisches Symbol

Morgen entscheiden die Bürger von Frankfurt (Oder), ob sie eine Straßenbahn nach Słubice wollen

FRANKFURT (ODER) taz ■ Die Straßenbahnverbindung von Frankfurt (Oder) in die polnische Nachbarstadt Słubice war längst beschlossen. Nachdem im Sommer ungeplante Mehrkosten die Diskussion jedoch neu entfachten, sollen nun die Frankfurter selbst entscheiden: Morgen können 58.000 Bewohner der Grenzstadt ihre Stimme zur geplanten Straßenbahn abgeben.

Die Verbindung über die Oder hat Modellcharakter. Die Straßenbahn wäre ein einbetonierter Meilenstein für den direkten Austausch zwischen Polen und Deutschland, ein Musterbeispiel für das Zusammenwachsen zweier Grenzstädte. Genau deshalb jedoch wird ein klares Nein auch Signalwirkung über die Stadtgrenzen hinaus haben.

„Das ist ein sinnloses Projekt, das bloß Geld kostet und nichts bringt“, wettert ein Frankfurter, ein anderer sieht den Plan auf „tönernen Füßen“ stehen. Die Gegner der grenzüberschreitenden Straßenbahn scheinen sich in der Mehrheit zu befinden. Gerade Frankfurt (Oder) wurde schon mehrfach durch geplatzte Projekte enttäuscht – eine Chipfabrik etwa wurde deutlich nach Baubeginn gestoppt.

Stadt und Verkehrsbetriebe sind sich einig. Die Straßenbahn nach Słubice wird die Zuschüsse der Stadt für den Nahverkehr durch eine höhere Auslastung um 100.000 Euro pro Jahr senken und eine Wendeschleife für etwa 1,1 Millionen Euro überflüssig machen. Die präsentierte Kostenschätzung ist jedoch mit Vorsicht zu genießen. Derzeit ist die Rede von 3,2 Millionen Euro für die Baumaßnahmen auf der deutschen Seite. 800.000 Euro will die Stadt investieren, die restlichen 75 Prozent sollen EU, Bund und Land tragen. Ganz sicher ist sich die Stadtverwaltung jedoch nicht, ob Mehrwertsteuer fällig ist, und ob die Stadt für Umbauten an der Grenze zahlen muss – Mehrkosten von insgesamt fast 1 Million Euro.

Der Ursprungsbeschluss für die Straßenbahn fiel im Februar 2005. Für das kurze Schienenstück bis zur polnischen Grenze waren 2,5 Millionen Euro veranschlagt. Doch dann ergaben neue Kalkulationen einen Mehraufwand von 1,7 Millionen Euro alleine auf der deutschen Seite, weshalb die Stadtverordneten die Bürgerbefragung herbeiführten. Dies hat in Słubice für Verärgerung gesorgt. Bürgermeister Ryszard Bodziacki kommentierte in der Frankfurter Lokalzeitung sehr barsch: Die Straßenbahn sei „kein Gnadenbeweis“, von „kleinlichen Rechnungen“ war die Rede.

Für mehr als 20.000 Słubicer – bisher ohne Nahverkehrssystem – hat die Straßenbahn viele Vorteile: etwa die direkte Verbindung mit Bahnhof und Uni in Frankfurt und die Strecke durch die eigene Stadt. Weil die polnische Seite ein längeres Stück bekommt, zahlt sie auch einen großen Teil der Kosten.

Die deutschen wie polnischen Befürworter müssen bis morgen mit vielen Fehlinformationen kämpfen. So gehen einige Frankfurter davon aus, dass die gesamten Kosten für soziale Projekte verwendet werden könnten oder dass andere Verbindungen eingestellt würden. Ein wichtiges Symbol für die deutsch-polnischen Beziehungen ist gefährdet. BENJAMIN GÖGGE