Berlin auf Bielefeld-Niveau

WOHNEN Zuzug und Finanzkrise sorgen für höhere Mieten. Trotz „moderatem Anstieg“ fordert Senator Müller, den Mietspiegel künftig auch bei Neuvermietungen anzuwenden

■ Der Mietspiegel ist nach Wohnungen in Ost und West, nach einfacher und gehobener Wohnlage, nach Altbauten und Neubauten und vielen weiteren Kriterien aufgeschlüsselt. Er ermöglicht so, die durchschnittliche Miete für vergleichbare Wohnungen zu ermitteln. Das ist wichtig, weil ein Vermieter laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Miete nur bis maximal zur Höhe dieser ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen darf. Will er die Miete stärker erhöhen, kann ein Mieter sich gegebenenfalls vor Gericht dagegen wehren.

■ Zusätzlich gibt es eine Kappungsgrenze: Die Miete darf innerhalb von drei Jahren höchstens um 15 Prozent steigen. Eine Ausnahme gibt es allerdings, wenn eine Wohnung saniert wird – dann darf die Miete auch stärker erhöht werden. Dies alles gilt jedoch nur für bestehende Mietverträge. Wer neu in eine Wohnung zieht, muss zahlen, was der Vermieter verlangt. Nach Angaben des Mietervereins sind die Mieten bei neuen Verträgen oft 20 bis 30 Prozent höher als bei bestehenden Verträgen der gleichen Kategorie. (hei)

VON SEBASTIAN HEISER

Die Mieten in Berlin sind seit 2011 jährlich um durchschnittlich 3,1 Prozent gestiegen. Das sei „für viele eine Überraschung“, sagte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) am Donnerstag, als er den neuen Mietspiegel vorstellte. Und zwar ein überraschend „moderater Anstieg“, so Müller, schließlich waren die Mieten zuvor um 4 Prozent im Jahr gestiegen.

Im Schnitt erhält der Vermieter in Berlin im Monat 5,54 Euro pro Quadratmeter. Außerdem zahlt der Mieter noch 1,83 Euro für Nebenkosten wie Heizung, Wasser, Müllabfuhr, Grundsteuer, Hausmeister – macht in der Summe 7,37 Euro. Hinzu kommen noch Kosten für Strom und Telefon, die nicht erfasst werden, weil sie direkt an den Anbieter gezahlt werden.

Die Mieten in Berlin seien auf „dem Niveau von Städten wie Essen, Leverkusen, Greifswald oder Bielefeld“, sagte Müller. In Hamburg liegt die Miete im Schnitt 30 Prozent höher, in München 83 Prozent. Allerdings verdienen Beschäftigte dort auch mehr.

Müller machte für die steigenden Preise den Zuzug nach Berlin und die damit verbundene steigende Nachfrage nach Wohnungen verantwortlich. Er verwies auf das Wohnungsbauprogramm des Senates, das das Angebot an Wohnraum vergrößern soll. Er forderte zudem – genau wie die Grünen –, dass der Vermieter bei Neuvermietungen nur einen Aufschlag von maximal 10 Prozent zum Mietspiegel erheben darf. Für eine entsprechende Gesetzesänderung ist der Bund zuständig, die schwarz-gelbe Koalition lehnt das ab.

Der Mieterverein wies darauf hin, dass die Mieten in einfachen Wohnlagen um 4,6 Prozent im Jahr gestiegen sind und damit höher als im Durchschnitt. „Eine problematische Entwicklung vor allem für Mieter mit unterdurchschnittlichem Einkommen“, so Geschäftsführer Reiner Wild. Er forderte, die Mieterhöhungen auf 15 Prozent in vier Jahren statt in drei Jahren zu begrenzen. Nach einer Modernisierung sollte es zudem nur noch einen zeitlich befristeten Zuschlag auf die Miete geben dürfen.

Kein Wohnraum für Arme

Die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Katrin Lompscher, forderte vom Senat eine umgehende Anhebung der Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger, denn für die gebe es „de facto keine Wohnungen mehr“.

Die Grünen machten neben der gestiegenen Nachfrage nach Wohnraum auch „die anhaltende, internationale Finanzkrise“ für die Mietsteigerungen verantwortlich, hieß es in einer Mitteilung der Abgeordneten Katrin Schmidberger und Andreas Otto. Dadurch würden viele Anleger in die Stadt gelockt: „Sie bezahlen viel Geld für Wohnungen und Häuser und erwarten durch die Miete eine schnelle Refinanzierung. In vielen Fällen steigen die Mieten auf diese Weise an, ohne dass es Verbesserungen in den Wohnungen gibt.“ Dies verhindere Investitionen in energetische oder altersgerechte Modernisierungen. Sie kritisierten zudem, dass das Neubauprogramm des Senats zu spät komme: „Jetzt rächt sich die wohnungspolitische Untätigkeit der SPD-geführten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in den letzten zehn Jahren.“