Große Körperkomik

CANNES CANNES 8 Valeria Bruni Tedeschis Tragikomödie „Un château en Italie“

Als Valeria Bruni Tedeschi inmitten ihres Teams auf dem roten Teppich steht, ist der Himmel strahlend blau. Gleich feiert ihr Wettbewerbsbeitrag, „Un château en Italie“, im Grand Théâtre Lumière Premiere, der Wind geht heftig und zaust die Haare der Filmschaffenden, die Locken Noémie Lvovskys, der Drehbuchautorin, fliegen auf besonders aparte Weise, alle haben gute Laune, alle lachen viel, und Céline Sallette, die eine Nebenrolle spielt, wagt sogar ein ausgelassenes Tänzchen.

„Un château en Italie“ ist der dritte Film der 1964 in Turin geborenen, in Frankreich aufgewachsenen Regisseurin und Schauspielerin. Wie bei den Vorgängern „Il est plus facil pour un chameau“ („Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr“, 2003) und „Actrices“ („Schauspielerinnen“, 2007) fließt vieles ein, was zu Bruni Tedeschis eigener Vita gehört. Die Hauptfigur wird von der Regisseurin gespielt, ist Mitte vierzig, heißt Louise und geht verträumt und ohne Halt durchs Leben. Ihre Arbeit, die Schauspielerei, hat sie aufgegeben, sie wünscht sich ein Kind und fürchtet, zu alt dafür zu sein. Ihr Bruder Ludovic (Filippo Timi) liegt im Sterben (Bruni Tedeschis Bruder Virginio starb 2006), und das titelgebende Schloss in Italien instand zu halten, kann sich die Familie nicht mehr leisten. Louis Garrel spielt Louises Geliebten Nathan, was dazu passt, dass die beiden auch jenseits der Leinwand ein Paar waren.

Sogar ein Alter Ego von Garrels Vater Philippe taucht im Film am Rande auf, ein Filmregisseur, der vor allem seiner Sprödigkeit wegen berühmt ist. Was es in „Un château en Italie“ nicht gibt, ist ein Schwager, der bis vor einem Jahr Präsident von Frankreich war, und auch keine Schwester, die Chansons singt. Dass ein an Parallelen zwischen Fiktion und Biografie so reicher Film in Cannes Premiere feiert, wo Hunderte von Gesellschaftsreportern auf genau solche Storys warten, ist eine kleine Ironie und macht zugleich greifbar, worin das Verdienst liegt: „Un château en Italie“ ist viel zu verschroben, als dass er sich mit gossip verwechseln ließe.

Die Wirklichkeit wird in eine Tragikomödie überführt, die für sich selbst steht. Als Valeria Bruni Tedeschi bei der Pressekonferenz gefragt wird, warum sie so oft ungeschickte, verpeilte Figuren spiele, antwortet sie, sie sei selbst ungeschickt, und dann erzählt sie, warum sie es schätzt, aus dem Gleichgewicht zu geraten. Als sie die Schauspielschule besuchte, übte sie eines Tages, auf einem Bein zu stehen. „Die Bewegungen, die das hervorruft, sind enorm interessant.“ Und während sie das sagt, erinnert man sich an eine Szene des Films, in der sie einen wunderbaren Slapstick aufführt.

Sie setzt sich auf einen Sessel in einer Kirche; es heißt, das helfe, um schwanger zu werden. Doch Louise ist weder verheiratet noch glaubt sie wirklich an Gott, so dass die Nonnen ihr den Sessel nicht gönnen. Sie zerren und ziehen an ihr, sie ruckeln am Stuhl, während Valeria Bruni Tedeschis Figur sich an den Polstern festkrallt: ganz große Körperkomik. CRISTINA NORD