KAI DIEKMANN, „RATZE TV“ UND SÜDDEUTSCHE PFERDEWURST
: Enttäuschung: Bundes-Guido nur auf Platz zwei

Liebe taz-Medienredaktion,

gerade eben habe ich meine Spitzhacke zur Post gebracht. 13,60 Euro. Denn auch ich möchte meinen Beitrag leisten, wenn dem Penis an Eurem Verlagshaus der Garaus gemacht wird. Das Wandbildnis unter üppiger Vegetation verschwinden zu lassen, wäre doch ein guter Kompromiss, und wenn ich schon nicht bei Euch sein kann, so soll doch jemand in meinem Namen das Eis brechen, die Erde aufhacken und den Samen auswerfen, den es braucht, den längsten Pimmel, der Kai Diekmann je angedichtet wurde, unterm Knöterich verschwinden zu lassen. Doch ich befürchte Sabotage. Was, wenn der gekränkte Künstler oder der Penisbesitzer Kai Diekmann himself nächtens auf die zarten Pflänzchen pinkelt, um die Saat quasi im Keim zu vergiften? Für diesen Fall muss ein Bewachungstrupp abgestellt werden, Parole „Eule“. Ich finde, das können die Volontäre machen.

Apropos Volontäre. Wenn man dieser Tage bei „Ratze TV“ oder „Bibel TV“ reinschaut, ist es so öde wie immer. Da sitzen Männer mit Kontaktschwierigkeiten unter einem Kreuz und lesen vor oder starren einen Korb Obst an. Damit zieht man weder die Wurst vom Teller noch Zuschauer an. Dabei hat die Sparte „Kirchen TV“ jetzt die Vorlage des Jahrhunderts: sexueller Missbrauch unter der Sutane Gottes. Wo ARD und ZDF für viel Geld „Experten“ ranschaffen müssen, Redakteure sich tagelang mit der Hand im Schritt einlesen müssen, sind die Klerikalen sozusagen die Axt im Haus. Eingearbeitet in die Materie mit direktem Draht zu den Tätern. Sondersendungen, Dokumentationen, Gameshows – Ratze TV könnte der aktuelle Bringer sein. Mit Quotenhoch und Werbeplus. Aber nein. Statt eines lustigen „Dalli, Dalli“ für Pädophile, Tine Wittler, die zeigt, wie man ein ehemaliges Priesterzimmer in eine florierende Eisdiele verwandelt, und Peter Hahne beim Nacktbeten mit Betroffenen gibt es nur Weihrauch und warme Worte. Ich glaub, so wird das nix mit dem Bedeutungszuwachs.

Um Bedeutungszuwachs ringt auch das Herrenmagazin „Für den halben Mann“, FHM. Seine Macher haben eine Liste mit den 100 „unsexiest women in the world“ veröffentlicht. Auf Platz zwei, nach Beth Ditto, steht Guido Westerwelle. Das ist typisch. Alles, was Männer nicht im Bett haben wollen, weil es zu dick (Beth Ditto), zu anstrengend (Heidi Klum, Platz 4) oder wie in diesem Fall zu arrogant, borniert, lächerlich, eitel, selbstgefällig, realitätsfern, überheblich und inkompetent ist, wird auf eine Shit-List gesetzt. Immerhin, das muss man ihnen lassen, können sie bei 100 einen Punkt machen. Müssten Frauen eine vergleichbare Herren-Liste erstellen, kämen wir bis 100.000 gar nicht zum Luftholen.

Luftholen müssen laut Hamburger Abendblatt auch die Ressortleiter der Süddeutschen Zeitung, die gebeten wurden, eine „Sozialauswahl“ unter den Mitarbeitern zu treffen. Also nach „sozialen“ Aspekten entscheiden, wer vor die Tür gesetzt wird. Das nenn ich handfest. Endlich einmal ein Ansatz, der Sinn macht: eine Einkommensstaffelung. Man schmeißt die raus, die das meiste Geld nach Hause tragen. So spart der Verlag am meisten und es trifft nicht diejenigen, die von ihrem Gehalt tatsächlich leben müssen. Askese ist das neue Gucci. Einfach mal den Golfschläger einschmelzen, einen schlichten Apfelsaft zu Dieter Wedels Geburtstagssause mitbringen und die Budapester besohlen lassen, statt neue zu kaufen. Und wenn es doch mal knapp wird, kann man immer noch das Reitpferd zu Wurst verarbeiten. Da hat selbst eine fünfköpfige Familie lang was von. Mit dieser Perspektive zurück nach Berlin!

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