Ein paar Scherben im Glashaus

TRANSPARENTE PIRATEN

Das kann man skandalös finden – oder als Normalisierungsprozess betrachten

In Sachen Unterhaltungswert ist die Berliner Piratenfraktion natürlich prima, so wie sie in den vergangenen Tagen die interessierte Öffentlichkeit bei Laune gehalten hat mit ihren Affären und internen Querelen. Von Vetternwirtschaft bei der Vergabe von Jobs in der Partei war zu lesen. Man witterte schon mindestens einen so modrigen Sumpf wie bei der bayerischen CSU. Und Fraktionschef Christopher Lauer half wie ein recht tapsiger und einigermaßen hartschädeliger Elefant tüchtig mit beim innerparteilichen Porzellanzerschlagen und wetterte von Verrat und Indiskretion.

Wobei es Letzteres – genau betrachtet – bei den Piraten eigentlich ja gar nicht geben kann. Denn immerhin hat man es bei ihnen mit einer Partei zu tun, die sich das Thema „Transparenz“ verordnet hat. Dass bei ihrem politischen Handeln immer alles einsehbar und jederzeit nachvollziehbar sein solle, und zwar für alle.

Wenn man aber in seinem Glashaus sitzt und eigens dazu aufgefordert hat, doch bitte ganz genau hinzugucken, ist es halt auch mit jeder Intimität dahin. Die ganze dreckige Wäsche – ausgestellt. Alle sehen, wer da gerade wem an die Gurgel geht. Wobei solche öffentlich zelebrierten Selbstzerfleischungsprozesse wohl schlicht zu einer Partei am Anfang ihre politischen Karriere dazugehören. Man muss nur einige Jahrzehnte zurückblättern, da finden sich bei den Grünen ähnliche Geschichten.

Bei der weiteren Geschichte der Grünen war auch zu sehen, dass manche hehren Ziele recht stillschweigend in den Keller getragen wurden. Das kann man skandalös finden oder auch einfach als einen Normalisierungsprozess betrachten – auf letzterem Kurs befinden sich wohl auch die Berliner Piraten. Jedenfalls zogen sie die ersten Mauern um das Glashaus auf und schlossen die Öffentlichkeit bei der Krisensitzung diese Woche aus.

Was da noch kommen kann: Vielleicht die Hinterzimmerpolitik. Mauschelei. Wie bei den anderen Parteien eben auch. Aber möglicherweise auch ausformulierte politische Positionen, über die sich zu streiten lohnen könnte. THOMAS MAUCH